Das Regenwaldkomplott
besprechen. Tagsüber sah sich das Ehepaar selten; da war Lobos unterwegs, oder Besucher gingen aus und ein, oder man war immer umgeben von den Hausangestellten. Die Stunde nach dem Essen, in den Sesseln vor dem englischen Kamin, der natürlich nie brannte bei Abendtemperaturen von durchschnittlich 24 Grad, sondern nur ein modischer Blickfang war, gehörte daher den Problemen der Familie.
»Sofia war heute nicht beim Abendessen«, stellte Lobos fest und zündete sich eine Zigarre an. Obwohl er Brasilianer war, rauchte er keine Brasilzigarren, sondern ließ sich die für einen Zigarrenraucher höchste Wonne, eine Davidoff No. 1, direkt aus Brasilia kommen. »Ist sie irgendwo eingeladen?«
»Nein, sie ist im Haus.« Dona Joana suchte verzweifelt nach Worten, wie sie ihrem Mann die ungeheuerliche Nachricht erklären konnte. »Sie ist auf ihrem Zimmer.«
»Ist sie krank?« Lobos blickte durch den Zigarrenrauch seine Frau an. »Warum sagt mir keiner etwas?«
»Sofia ist nicht krank.« Dona Joana nahm allen Mut zusammen. »Sie ist in ihrem Zimmer eingeschlossen.«
»Was ist sie?«
»Ich habe sie eingeschlossen. Paulo, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll –«
»Ganz einfach, rede!«
»Unser Kind ist kein Kind mehr –«
»Natürlich nicht. Sie ist ja einundzwanzig.«
»So meine ich das nicht.« Dona Joana war es, als flimmere es ihr vor den Augen. »Sie … sie hat einen Geliebten.«
Lobos wollte gerade wieder einen Zug an seiner Davidoff nehmen, mit einem Ruck fuhr seine Hand vom Mund zurück.
»Was sagst du da?! Sofia hat –«
»Ja. Sie hat es mir gestanden. Es ist unfaßbar. Unsere kleine Sofia.«
»Wer ist es?« fragte Lobos kühl.
»Das ist es ja.« Dona Joana begann zu schluchzen. »Ein Kerl unter unserem Stand. Ein Habenichts. Ein kleiner Lohnempfänger.«
»Wer?!«
»Marco Minho, der Zoologe. Dieser kleinbürgerliche Kerl –«
»Minho! Ich erinnere mich. Er war auch Gast bei Miguels Party. Das Landwirtschaftsministerium hat ihn nach Boa Vista geschickt. Soll unbekannte Tierarten im Regenwald registrieren. Einer von diesen Öko-Idioten! Und mit dem hat Sofia sich eingelassen?«
»Ja.«
»Sofia wird doch nicht so dämlich sein, sich ernsthaft in diesen Burschen zu verlieben?! Ein Flirt, ja?«
»Es ist mehr, Paulo.«
»Sie hat mit ihm geschlafen?!«
Dona Joana versagte die Stimme. Sie nickte nur. Lobos zog an seiner Zigarre und blies den Rauch gegen die Decke.
»Hat sie das gesagt?« fragte er nach einigem Schweigen. Auf seinem Vaterherzen lag plötzlich ein Felsbrocken.
»Ja. Und sie ist auch noch stolz darauf. Sie liebt ihn wahnsinnig, sagt sie. Ohne ihn kann ich nicht mehr sein, sagt sie. Paulo, mein Herz setzt aus, wenn ich daran denke. Unser Kind in den Armen dieses Kerls!«
»Hat denn keiner bemerkt, daß sie sich heimlich trafen?«
»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Paulo, es muß etwas geschehen. Ich habe Sofia eingesperrt, aber das ist ja kein Dauerzustand. Du mußt etwas unternehmen.«
»Vorerst ist Minho auf der Missionsstation Santo Antônio. Sie können sich also nicht mehr heimlich treffen. Das ist zunächst das Wichtigste.«
»Das ist es nicht!« Es war wie ein Aufschrei. Lobos sah seine Frau erschrocken an. Solche Temperamentsausbrüche waren selten bei ihr. Den letzten hatte er erlebt, als Dona Joana erfuhr, daß er seiner dreiundzwanzigjährigen Geliebten, die Monate vorher zur Miss Brasilia gewählt worden war, eine Wohnung in Manaus eingerichtet hatte. »Sie will zu ihm –«
»Nach Santo Antônio?«
»Ganz gleich, wohin. Sie will zu ihm. Sie hat Sehnsucht nach ihm, sagt sie. Dieser Lump hat sie vollkommen verdorben, unsere kleine Sofia.« Sie schluchzte wieder auf und faltete dann die Hände, als wolle sie den Allmächtigen um Hilfe anrufen. »Er hat sie sich hörig gemacht. So tu doch etwas, Paulo!«
»Ich werde mit Sofia sprechen.«
»Sie hört auf niemanden.«
»Auf mich wird sie hören, ich versichere es dir.«
»Du willst sie schlagen?« schrie Dona Joana entsetzt auf.
»Nein! Ich werde ihr diesen Unsinn ausreden. Und dann schicke ich sie zu Tante Rosa nach Recife. Sie wird keine Gelegenheit mehr bekommen, diesen Minho wiederzusehen. Das verläuft sich wie Wassertropfen im Sand. Du hast deine Jugendliebe ja auch vergessen und mich geheiratet.«
»Und ich habe es nie bereut.«
Aber ich, dachte Lobos und saugte wieder an seiner Davidoff. Ach Gott, denken wir nicht an früher. Vor fünfundzwanzig Jahren war Joana ein hübsches, aber
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