Das Regenwaldkomplott
langweiliges Mädchen gewesen, und langweilig ist sie bis heute geblieben. Doch ihr Vater hatte Geld, war einer der reichsten Grundbesitzer in São Paulo und hatte das Unglück, fünf Töchter zu haben und für sie die geeigneten Männer suchen zu müssen. Ich war einer von ihnen – und es ist immer von Nutzen, wenn sich Millionen zu Millionen finden. Das Ziel des geballten Kapitals ist Macht. Und ich habe sie jetzt – die Macht über Land, Fabriken, Minen, Wälder und Menschen. Da nimmt man selbst eine Dona Joana in Kauf.
Lobos erhob sich aus seinem Sessel und kickte die Asche der Zigarre in einen Aschenbecher aus geschliffenem Achat.
»Du gehst jetzt zu Sofia?« fragte Dona Joana.
»Ja.«
»Ich möchte mitgehen, dabeisein.«
»Nein. Das machen Sofia und ich unter uns aus.«
»Versprich mir, daß du sie nicht schlägst.«
»Ich habe mein Kind noch nie geschlagen, seit einundzwanzig Jahren. Warum sollte ich es jetzt tun? Weil sie mit einem Mann schläft. Das ist doch natürlich.«
»Paulo!« rief Dona Joana entsetzt.
»Nur ist's der falsche, und das ist das Problem, das ich mit ihr besprechen muß. Es gibt so viele Söhne meiner Freunde! Wenn sie zum Beispiel mit Venancio Redondo geschlafen hätte –«
»Du bist unmöglich! Wie kannst du als Vater –«
»Wie alt warst du, als du den ersten Mann an dich herangelassen hast?«
»Auf so eine ordinäre Frage bekommst du keine Antwort!« Dona Joana sprang auf und wollte den Salon verlassen. Lobos zog noch einmal an seiner Zigarre.
»Du warst sechzehn –«, holte seine Stimme sie ein. »Und es war ein Gärtner deines Vaters. Das stimmt doch, nicht wahr?«
Sie gab keine Antwort, verließ den Salon und knallte die Tür hinter sich zu.
Sofia lag auf der mit rosa Seide bezogenen Couch, als Lobos das Zimmer aufschloß und eintrat. Sie blickte kurz hoch, vergrub den Kopf dann wieder in ihren verschränkten Armen, aber ihre Muskeln spannten sich, als wolle sie gleich mit einem Satz aufspringen.
Lobos suchte nach einer Ablage für seine Zigarre, legte sie dann auf die Tischkante eines Glastisches mit vergoldeten Füßen und betrachtete seine hübsche Tochter.
»Wir müssen was miteinander besprechen, Kleines«, begann er milde.
Sofia hob den Kopf nur ein paar Zentimeter, blickte aber dabei ihren Vater nicht an.
»Mama hat dir alles erzählt, was?« fragte sie angriffslustig. »Um dir lange Fragen zu ersparen: Ja, ich liebe Marco. Ja, ich habe mit ihm geschlafen. Ja, es war wunderschön, und ich bereue keine Minute. Ja, ich würde es wieder tun, sofort, immer und immer wieder. Und wenn ihr platzt!«
»Ich platze nicht. Hast du einen Knall gehört?«
»Deine Ironie kannst du dir sparen. Ich werde Marco heiraten. Ich bin ja schon heimlich seine Frau.«
»Du Kindskopf!« Lobos setzte sich in einen der rosa Sessel. »Wenn jedes Mädchen, das mit einem Mann ins Bett geht, sich als heimlich verheiratet betrachtete, bestünde die Welt nur noch aus Bigamisten.«
»Marco und ich gehören zusammen.«
»Und wovon wollt ihr leben? Von seinem armseligen Zoologengehalt? Unser Butler verdient mehr als er. Mein Obergärtner das Doppelte. Von mir bekommst du keinen Cruzeiro! Nichts! Du bist dann keine Lobos mehr.«
»Aber eine Minho!« antwortete Sofia trotzig. »Und Marcos Gehalt wird reichen.«
»Für Maisbrot und einmal die Woche, sonntags, ein Stück billiges Fleisch, das zu schlecht ist für den Export.«
»Auch davon kann man leben, wenn man sich liebt.«
»Und unsicher ist, ob Minho seine Stellung als Zoologe behält. Man wird ihn rauswerfen.«
»Und dafür sorgst du mit deinen Beziehungen.«
»So ist es. Wollt ihr in einer Bretterbude in den Slums wohnen?«
»Dort wohnen Tausende, warum nicht auch wir?! Dann werde ich eben auch arbeiten gehen.«
»Als was? Du hast doch nichts gelernt als schöne Kleider tragen, jeden Tag die Friseuse kommen lassen, Tennis spielen, Golf, Reiten, Klavier klimpern –«
»Ist das nicht genug?« Sie sprang von der Couch hoch und stellte sich angriffslustig vor ihren Vater. »Klavier spielen, ja, das kann ich. Ich werde in Rio in einer Bar spielen.«
»Da warten sie gerade auf dich! Meine Tochter, eine Lobos. Schämst du dich nicht?«
»Nein! Du schämst dich ja auch nicht, den Regenwald abzubrennen, Pflanzen und Tiere zu vernichten und die Indianer zu vertreiben und sogar von deinen Pistoleiros umbringen zu lassen!«
»Das hat er dir erzählt?« Lobos begriff, daß das Gespräch mit seiner Tochter jetzt eine andere
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