Das Regenwaldkomplott
verzeichnet waren. »Ich bringe Sie zu Antoninho. Der ist ein guter Pilot, hat selbst zwei Töchter in Ihrem Alter und wird Sie nicht gleich auf den Rücken legen. Auf Antoninho ist Verlaß. Und er kennt die Strecke nach Santo Antônio wie kaum ein anderer. Sie haben Glück, Senhorita.«
Sofia nickte wortlos. Sie mußte sich erst an die ungehobelte Art der Menschen hier gewöhnen; nach dem ersten Schock über deren vulgäre Ausdrucksweise wunderte sie sich nicht mehr, daß man sie für eine Nachwuchshure hielt, nur weil sie in die Gegend der Goldminen wollte.
Antoninho, der Pilot, wurde von Carlos in der kleinen Bar gefunden, in der sich die Piloten zwischen zwei Flügen erholten. Sofia wartete draußen vor dem Schuppen. »Ich nehme Sie nicht mit rein«, hatte Carlos gesagt. »Warten Sie hier.«
Es stellte sich heraus, daß Antoninho wirklich einer der wenigen anständigen Männer war. Carlos schien ihn schon in der Bar unterrichtet zu haben, er begrüßte Sofia mit einem Handkuß, was Sofia in dieser Umgebung nie erwartet hatte.
»Sie wollen zur Mission Santo Antônio, Senhorita?« fragte er.
»Ja. Ich zahle das Doppelte.«
»Sie sind eine neue Angestellte der Mission?«
»Nein. Ich besuche dort meinen Verlobten. Er ist Wissenschaftler. Zoologe.«
»Senhor Minho?«
»Oh! Sie kennen ihn?« Sofia spürte das Hämmern ihres Herzens.
»Ich habe ihn vorgestern noch gesprochen. Er hat mir nichts von Ihnen erzählt. Weiß er, daß Sie kommen?«
»Nein. Es soll eine Überraschung sein. Bitte, können wir sofort fliegen?«
»Wir kommen in den Abend hinein, und die Piste von Santo Antônio ist nicht beleuchtet.«
»Versuchen Sie es trotzdem. Bitte, bitte. Ich möchte nicht in Boa Vista übernachten.«
»Das kann ich verstehen. Kennen Sie Boa Vista?«
»Nein«, log sie. Wir haben doch eine Villa am Rande der Stadt, gerade deshalb möchte ich nicht hier gesehen werden. Zu viele kennen die Tochter des großen Paulo Lobos. »Wir müssen noch heute weiterfliegen. Ich habe von Boa Vista nichts Gutes in Manaus gehört.«
»Was man sich da alles erzählt, ist alles untertrieben. Boa Vista ist noch schlimmer. Am Tag sieht es passabel aus, die Hauptstadt des Gouverneurs, aber sobald es dunkel wird, ist man am sichersten hinter verschlossenen Türen.« Antoninho blickte kurz auf seine Uhr. »Es wird höchste Zeit. Ich muß noch tanken, dann fliegen wir sofort los.«
»Danke. Sie sind ein guter Mensch –«
»Das höre ich auch zum erstenmal.« Antoninho lachte kurz auf. »Warten Sie hier bei Carlos. Ich rolle vor die Haustür.«
Es war schon dunkel, als sie über Santo Antônio einschwebten. Nur ein erfahrener und vor allem furchtloser Pilot wie Antoninho konnte es wagen, jetzt noch zu landen. Das einzige Licht auf der Piste kam vom Schein des Mondes, und zum Glück war es fast Vollmond. So zeichnete sich die Landebahn als dünner hellgrauer Streifen ab. An den Missionsgebäuden brannten die Lampen, aber sie waren viel zu schwach und reichten nicht bis zur Piste.
»Ist es schwer, jetzt zu landen?« fragte Sofia. Ihre Stimme klang etwas dünn.
»Man muß es können«, brummte Antoninho. »Viele können es nicht.«
»Ich bitte Sie um Verzeihung, daß ich Sie –«
»Halten Sie den Mund! Davon kommen wir nicht hinunter.«
Er zog einen Kreis über der Mission und setzte über dem niedergebrannten Yanomami-Dorf zur Landung an. Nach einem mehrfachen Rucken setzte die Maschine auf der Bahn auf. Antoninho ließ sie bis zur Polizeistation ausrollen. Natürlich stürzten sofort Ribateio und Moaco aus dem Gebäude und strahlten mit starken Handscheinwerfern das Flugzeug an.
»Das muß ein Verrückter sein!« hatte Ribateio gerufen, als sie das Motorengeräusch in der Luft hörten.
»Vielleicht fliegt er nur über uns hinweg.«
»Wohin denn, Alberto? Nach Novo Lapuna? Um diese Zeit? Hast du das schon erlebt?«
»Nein, Tenente.«
»Na also! Das ist völlig unsinnig.«
Sie erkannten Antoninho sofort, als er die Tür aufstieß und auf den Boden sprang. Ribateio starrte ihn verwundert an.
»Du hast wohl 'nen Wurm im Hirn?!« rief er. »Was soll denn der Blödsinn?!«
»Ich habe einen Gast. Er hat's eilig.« Antoninho zeigte mit dem Daumen nach rückwärts, wo jetzt Sofia aus der kleinen Maschine kletterte. »Besuch für Senhor Minho.«
»Eijeijei, so eine Abendüberraschung wünsche ich mir auch mal.« Ribateio schnalzte mit der Zunge und richtete seinen Scheinwerfer auf Sofia. Sie hob geblendet beide Arme vor ihr
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