Das Regenwaldkomplott
Garimpeiros sind, die man hingerichtet hat. Und diesmal war es nicht der Rote Pfeil! Wären sie mit einem roten Pfeil erschossen worden, könnten wir die Untersuchungen sofort einstellen. Und wenn es Yanomami waren, wie Camizo behauptet, was hatten sie für einen Grund?
Ribateio nickte zu seinen eigenen Gedanken. Bleiben wir dabei, dachte er bei sich. Sagen wir einfach: Es waren die Indianer. Das ist die einfachste Lösung und erspart uns viel Arbeit. Dann muß sich die FUNAI darum kümmern und Coronel Bilac. Das käme dem gerade recht, um eine Strafexpedition zu den Yanomami zu befehlen. Die heimliche Flucht des Stammes aus Santo Antônio hat er bis jetzt nicht überwunden. Ja, das ist die Lösung aller Probleme: Die beiden Garimpeiros wurden von den Indianern ermordet. Das Bäumchenbiegen ist geradezu ein Beweis!
»Hoffen wir, daß wir die beiden Halunken doch noch bekommen«, sagte er und stand auf. Bento kreuzte unbeirrt weiter die Namen auf seinen Listen an. »Bei den zwei Hingerichteten komme ich immer mehr zu der Überzeugung, daß es Yanomami waren.«
»Mag sein.« Bento blickte von seinen Listen auf. Sein Blick war offen und ohne lauernde Vorsicht. »Warum dann diese ganze Aktion, die jetzt läuft?«
»Wir müssen etwas tun.« Ribateio grinste kumpelhaft. »Die Polizei muß einmal beweisen, welche Möglichkeiten sie hat. Der Fall geht jetzt zu Coronel Bilac. Und wenn der überzeugt ist, daß es die Yanomami waren, dann wird es hier bald von Militär wimmeln. Dann rücken die Dschungelkämpfer an, die Spezialtruppe von Coronel Dinis.«
»Und wenn es nicht die Yanomami waren?«
»Dann müssen sie das beweisen. Aber dazu werden sie keine Gelegenheit haben. Wer glaubt ihnen denn, wenn Bilac sagt: Sie waren es! Und die gesamte Presse wird mitziehen und die Indianer als Mörder aus der Steinzeit verurteilen. Die ganze Welt wird es lesen und uns recht geben, wenn wir sie bestrafen.« Ribateio lachte. »Leg die Listen weg, Benjamim. In einer Stunde wird die ganze Aktion abgeblasen. Wir haben die Täter.«
Bento gab keine Antwort. Er blickte Ribateio nach, als dieser das Zimmer verließ. Erst als die Tür hinter ihm zufiel, sagte er heiser, als würge ihm jemand die Stimme ab:
»Das habe ich nicht gewollt. Daran habe ich nicht gedacht. Wie kann man an so etwas denken? Ich habe nicht zwei Menschen getötet, sondern Hunderte von Menschen. Unschuldige Menschen. Gott im Himmel, was soll ich tun?«
Mit dem nächsten Flugzeug, das Nachschub, Medikamente, Mullbinden, Tupfer, Narkosemittel, Laborausrüstungen und noch ein Mikroskop aus Boa Vista brachte – alles, was Thomas und Luise angefordert hatten –, stieg überraschend auch eine junge Ordensschwester aus. Pater Vincence und Pater Ernesto begrüßten sie mit aller Herzlichkeit, aber ebenso ratlos. Sie hatten nie eine Nachricht bekommen, daß eine Schwester auf dem Weg zur Mission war.
»Das ist eine echte Überraschung!« sagte Pater Vincence und holte ihr Gepäck aus dem Flugzeug. »Wer hat Sie denn zu uns geschickt, Schwester?«
»Mein Orden. Ich bin Karmeliterin. Unser Mutterhaus in Rio hat mich beauftragt. Ich komme aus dem Kloster in Manaus. Mein Name ist Schwester Margarida. Der Hausname ist Quental. Ich bin diplomierte OP-Schwester.«
»Verstärkung für Tom, ich meine, für Dr. Binder«, sagte Pater Ernesto. »Er wird sich freuen. Eine OP-Schwester. Leider hat er in der letzten Zeit nichts zu operieren.«
Die Patres nahmen Margaridas Gepäck auf und geleiteten sie zum Missionshaus. Luigi, der Krankenpfleger, stand am Fenster des Hospitals und sah ihnen nach.
»Doktor –«, sagte er. Thomas war gerade damit beschäftigt, einen Verband zu wechseln. Ein Lastwagenfahrer, der nach Novo Lapuna wollte, hatte in Santo Antônio angehalten und einen Furunkel im Nacken präsentiert. Thomas hatte ihn sofort herausgeschnitten. Außer Leonor war der Fahrer jetzt der einzige Patient im Hospital. Die kranken Yanomami fehlten. Seit dem Niederbrennen ihres Dorfes wagte sich keiner mehr aus seinem Regenwaldversteck hervor. Er wäre sofort von Ribateio festgenommen worden. Und Bilac hätte ihn so lange verhört, gequält und gefoltert, bis er entweder gestorben wäre oder das Versteck des Stammes verraten hätte. Doch wie man die Yanomami kannte, starben sie lieber, als einen Verrat zu begehen. »Eben ist eine Schwester angekommen«, fuhr Luigi fort. »Wissen Sie was davon?«
»Nein.« Thomas drückte einen Klebestreifen über das Ende des Verbandes. »Mir hat
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