Das Regenwaldkomplott
auf Menschen gestoßen, die außer ihrem Regenwald nichts auf der Welt kannten.
Um die Grenze, oder vielmehr den Aufbau einer gigantischen Industrie im Yanomami-Land, zu schützen, sollte ein ganzes Bataillon nach Santo Antônio und nördlich von Novo Lapuna verlegt werden. Wer scherte sich noch um den Erlaß, der seit 1981 als ein Gesetz galt, daß dieses den Yanomami zugewiesene Gebiet von der doppelten Größe der Schweiz nur von den Yanomami selbst besiedelt werden durfte?
Erinnern wir uns an das Jahr 1985. Damals übersah die Regierung in Brasilia noch nicht die unermeßlichen Schätze, die im Yanomami-Land unter dem Regenwald lagen. Als die Prospektoren damals in das Gebiet eindrangen, schickte Brasilia sofort ebenso schwer bewaffnete Bundespolizisten in das Gebiet Surucucu und Rio Parima, und es gelang tatsächlich, die rücksichtslosen Glücksritter zu vertreiben.
Aber da meldete sich sofort José Altino Machado zu Wort, der mächtige Boß der brasilianischen ›Garimpeiro-Gewerkschaft‹. Diese Gewerkschaft vereinigte alle Garimpeiros Brasiliens und hatte einen Mitgliederstand von über 600.000 Mann. Machado protestierte gegen die ›Vertreibung‹ der Goldsucher. »Wir wissen, was man mit dem ›Texas der südlichen Hemisphäre‹ plant. Eines Tages werden die großen Minengesellschaften diese Region besetzen und den unfaßbaren Reichtum an sich reißen. Darum will man keine unabhängigen Goldschürfer mehr dulden. Die Regierung ist Komplize der Fabrikanten, Spekulanten und Großgrundbesitzer. Wir wissen, daß bereits fünfundzwanzig internationale Unternehmen Lizenzen für Untersuchungen und späteren Landkauf erhalten haben. Da redet niemand mehr vom Wohnrecht der Yanomami!«
Jetzt sah alles anders aus.
Es gab die Goldminen mit über 50.000 Garimpeiros, es gab die Erzgruben, es gab die Hunderte privater Holzkohlemeiler und die großen Holzkokereien des Paulo Lobos, es gab die schwimmenden ›Dragos‹, die Riesenbagger, die aus den Flüssen den Goldsand holten, der dann mit hochgiftigem Quecksilber vom Gold befreit wurde. Es gab die Bauxitwerke und die Urangruben. Und es gab jetzt auch das Militär, das unter dem Deckmantel der Sicherheitsinteressen Brasiliens, in Wirklichkeit aber verhinderte, daß die tägliche Verletzung der Rechte der Yanomami und ihre lautlose Vernichtung an die Öffentlichkeit kamen.
Das Grenzgebiet wurde Sperrgebiet. Kein Ausländer durfte es mehr betreten.
Einer der Yanomami-Häuptlinge, der von den Missionaren Portugiesisch gelernt hatte, erklärte in einem Interview: »Ich glaube nicht, daß wir mit der Armee leben können. Wir haben das schon einmal erlebt. 1974 schlug das Militär durch unser Land eine große Straße, die Perimetral Norte. Nach dem Militär kamen die weißen Siedler, und mit den Siedlern kamen die für uns tödlichen Krankheiten. Die Hälfte unserer Stämme ist daran gestorben. Soll jetzt die andere Hälfte sterben?«
Die Perimetral Norte ist heute an vielen Stellen vom Urwald wieder überwuchert und unbefahrbar.
Der Yanomami-Häuptling hieß Davi Xiriana.
Man hat nie wieder etwas von ihm gehört.
Und weiter meldete Ribateio an Pater Vincence:
Mit einem großen Hubschrauber der Polizei sind zehn Pistoleiros in Santo Antônio gelandet. Sie brachten einen Befehl von Coronel Bilac mit. Sie sollen auf der Polizeistation wohnen, sie wollen den Wald überfliegen, ob sie Spuren der Yanomami entdecken, mit denen Pater Ernesto, Marco Minho und Senhorita Sofia gezogen sind. Aber ich glaube nicht, daß sie Spuren finden.
»Lobos gibt keine Ruhe«, sagte Vincence mit zerfurchtem Gesicht. »Es wird gefährlich.«
»Glaubst du, sie finden sie?« fragte Luise.
»Lobos wird die besten Pistoleiros genommen haben, Männer, die sich im Urwald auskennen. Ich mache mir wirklich Sorgen.«
»Wäre das nicht ein Bericht für alle Zeitungen in Europa und den USA: Killerkommando sucht im Regenwald italienischen Missionar. Großgrundbesitzer als Mordauftraggeber. Das überliest keiner.«
»Eine fabelhafte Schlagzeile, bestimmt – nur, wir müssen sie beweisen.«
»Jeder weiß, wer hinter dieser Aktion steckt.«
»Das ist kein Beweis. Wenn du solche Meldungen an die Presse gibst, ist deine sofortige Ausweisung sicher. Dann wirst du nie wieder nach Santo Antônio zurückkehren können, Toms Grab nie wiedersehen …«
»Wir müssen also schweigen?«
»Unsere Stimme ist zu klein, Luisa. Da muß schon ein Julio Maputo kommen, ihm hört die ganze Welt zu. Aber wie lange
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