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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und mit ihren tödlichen Waffen bildeten einen Halbkreis um die Stampfenden. Etwas abseits, unter dem Dach einer offenen Maloca, hockten zwei Frauen und rührten in einem Kessel mit Bananensuppe.
    Fast eine halbe Stunde dauerte es, bis die Knochen und Schädel zu Pulver zerstoßen waren. Der Pata jeder trauernden Sippe kippte die Mörser um und füllte das Knochenpulver in kleine bemalte und mit Federn geschmückte Kalebassen, hob sie hoch und zeigte sie dem ganzen Dorf. Aus der offenen Maloca schleppten die beiden Frauen den Kessel mit der Bananensuppe in die Mitte des Shabono, einige andere Frauen holten Gefäße aus Ton oder Kürbisschalen und hielten sie dem Kessel entgegen.
    Mit feierlichen Schritten gingen die Pata, die Kalebassen mit dem Knochenmehl an ihre Brust gedrückt, zu dem Kessel und schütteten die zerstampften Überreste der Toten in die Bananensuppe.
    Nach einem kurzen Umrühren mit einem flachen Holz traten zuerst die Angehörigen der Verstorbenen an den Kessel, schöpften ein Gefäß voll mit der Bananensuppe und tranken es mit verzückten Augen aus. Der Tote lebte nun in ihnen weiter, sie nahmen, wie es die Yanomami-Forscher Zerris und Schuster nannten, ›ein Zugehöriges zurück‹.
    Den Verwandten folgte die ganze Dorfgemeinschaft und trank von der Bananensuppe. Pater Ernesto, der mit Sofia und Marco abseits stand und der Zeremonie zusah, ahnte nichts Gutes, als Häuptling Yayaomo mit einem mittelgroßen Tongefäß voll Suppe zu ihnen kam. Auch Marco begriff, was ihnen bevorstand.
    »Ernesto, das kann ich nicht«, flüsterte er entsetzt. Auch Sofia war blaß geworden.
    »Wir müssen, Marco«, flüsterte Ernesto zurück.
    »Ich kotze es sofort wieder aus!«
    »Du wirst es schlucken. Weißt du, daß wir die größte Ehre empfangen, die je ein Weißer bekommen hat? Noch nie hat ein Weißer an einem Totenmahl der Yanomami teilgenommen! Wenn Yayaomo uns den Knochentrank bringt, dann heißt das: Ihr seid nun auch Yanomami, ihr gehört zu uns. Ihr seid keine Fremden mehr. Ihr gehört zu unserem Stamm! Das können wir nicht ablehnen.«
    »Mir steigt jetzt schon der Ekel hoch.«
    »Schluck ihn mit der Bananensuppe hinunter. Du schmeckst das Knochenpulver nicht, schmeckst nur die Bananen.«
    »Aber ich weiß, was hineingerührt ist.«
    »Vergiß es! In zwei Minuten bist du ein Yanomami, das ist einmalig auf dieser Welt, wie deine neu entdeckten Tiere. Mach die Augen zu und dann hinunter!«
    Yayaomo hatte Pater Ernesto erreicht, blieb vor ihm stehen und hob die Schale mit der Bananensuppe in Mundhöhe hoch. Seine Stimme war feierlich – die Seelen der Verstorbenen sahen jetzt zu.
    »Mein Bruder«, sagte er, »mit Zustimmung meines Volkes trinke das Gedenken an unsere Toten. Deine Haut hat eine andere Farbe, aber dein Herz ist wie das Herz eines Yanomami. Trink, mein Bruder.«
    Ohne zu zögern, nahm Pater Ernesto das Gefäß, setzte es an seine Lippen und tat einen kräftigen Schluck. Es schmeckte wirklich nur wie eingedickte Bananensuppe. Nach dem Trunk reichte Ernesto die Schale an Sofia weiter. Wortlos ergriff sie das Gefäß, trank einen Schluck und gab es an Marco weiter. Nur eine Sekunde – dann setzte auch er die Schale an die Lippen und trank von der Bananensuppe. Sofia hatte nicht gezögert, dachte er. Sie hat davon getrunken, als sei es eine Erfrischung. Ihre Hand hat nicht gezittert, nicht einen Augenblick.
    Yayaomo nahm das Gefäß zurück, ein breites Lächeln erschien auf seinem geschminkten Gesicht, dann setzte er die Schale an den Mund und trank sie leer.
    »Jetzt sind wir Yanomami«, sagte Pater Ernesto mit fester, dunkler Stimme. »Vergessen wir, was wir einmal waren. Jetzt gehören wir dem Wald.«
    Fünfzehn Tage später meldeten Späher, daß sich zehn weiße Männer in Tarnanzügen dem Gebiet des Stammes näherten. Erst waren es vier kurze, scharfe Schreie von Totenkopfäffchen, die durch den Urwald klangen, von den Yanomami so täuschend nachgeahmt, daß nur die Indianer einen Unterschied merkten. Dann, einen Tag später, erschien ein Läufer im Shabono und berichtete genau, was man gesehen hatte.
    »Zehn Mann?« fragte Pater Ernesto erstaunt. »Habt ihr euch nicht verzählt?«
    Der Yanomami schüttelte den Kopf und hob die zehn Finger in die Luft.
    »Da stimmt etwas nicht.« Ernesto zog die Unterlippe durch die Zähne. »Das ist keine Polizei und erst recht nicht das Militär. Das müssen Söldner sein, eine Privattruppe, Pistoleiros.«
    »Mein Vater.« Sofia griff nach Minhos

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