Das Regenwaldkomplott
Jahr lang wirksam war.
Nachdem alle ihre Waffen in den Giftschaum getaucht hatten, begann der Medizinmann Xonoyomo, das weißliche Sekret sorgfältig abzuschaben. Unter dem Schaum sonderte der gequälte Frosch jetzt ein gelbliches Öl ab, das in einem Tongefäß aufbewahrt wurde – ein Öl, das unbegrenzt haltbar war. Ein Öl, von dem ein winziger Tropfen genügte, das Nervensystem jedes Lebewesens sekundenschnell abzutöten.
Die Schlange der Krieger löste sich langsam auf. Jeder Pfeil, jeder Speer war jetzt eine tödliche Waffe. Ein einziger dieser zitronengelben Frösche genügte, um fünfzig Pfeile zu vergiften. Xonoyomo blickte um sich. Es trat niemand mehr an die aufgespießten Frösche. Er erhob sich, warf die Tiere in zwei große Feuer, wo sie knisternd und zischend verbrannten. Noch neunzig Giftfrösche aller Farben waren lebend übriggeblieben. Man setzte sie in kleine Bambuskäfige und gab ihnen Futter und Wasser, um sie immer dick zu halten: ein Arsenal des Todes.
»Morgen brechen die Späher auf«, sagte Yayaomo zu Pater Ernesto. »Unsere Feinde werden uns nicht überraschen können. Wir sehen und hören sie schon von weitem. Wir werden siegen.«
Am nächsten Abend fand die Trauung von Sofia und Marco statt.
Es wurde eine kurze Zeremonie, bestaunt vor allem von den leise kichernden Yanomami-Frauen.
In einem weiten Kreis standen die Mädchen und Frauen um Pater Ernesto und das vor ihm kniende Paar. Sofia hatte ihr bestes Kleid angezogen, einen roten Baumwollrock und eine gelbe Bluse, die sie früher abscheulich gefunden hätte. Marco hatte seinen Khakianzug an, an einigen Stellen voller Flecken, aber es war das beste Stück, das er in der Eile der Flucht mitgenommen hatte.
Pater Ernesto sprach nicht viele Worte, er verzichtete auch auf die ganze Trauzeremonie, die er sonst in der Kirche zelebriert hätte. Er legte nur seine Stola über die Hände von Sofia und Marco und sagte:
»Ihr wollt vor Gott Mann und Frau sein, euch immer lieben, zusammenhalten in guten wie in schweren Tagen, immer füreinander dasein und Kraft schöpfen aus eurer Liebe. Gott hat euch zueinander geführt, und Gottes Segen wird über euch sein. Ich frage euch: Wollt ihr als Mann und Frau ein ganzes Leben Zusammensein?«
Wie aus einem Mund antworteten Sofia und Marco mit Ja.
Pater Ernesto legte seine Hände auf die Häupter von Sofia und Marco, blickte kurz hinauf in den Abendhimmel und sah dann wieder auf seine segnenden Hände.
»So seid nun in Gottes Namen Mann und Frau, und liebt euch, bis daß der Tod euch scheidet.«
Ein Satz, der in dieser Stunde eine andere, noch schwerere Bedeutung bekommen hatte. Bis daß der Tod euch scheidet – der Tod war schon unterwegs, zwängte sich durch das Unterholz des Regenwaldes mit umgehängten Maschinenpistolen. Zehn Pistoleiros, die einen hundertfachen Tod mit sich führten.
Nach dem Segen küßten sich Sofia und Marco. Einen Ringwechsel gab es nicht, sie hatten ja keine Ringe, aber Häuptling Yayaomo kam zu ihnen und hängte ihnen ein Kreuz aus Orchideenblüten um den Hals. Dann verneigte er sich vor ihnen und wünschte ihnen viel Glück. Sie verstanden die Yanomami-Sprache noch nicht, aber sie wußten, was er sagte.
Im Kreis der Frauen, der das Brautpaar und den Pater umgab, erhob sich ein neues, verhaltenes Kichern. Zum erstenmal sahen die Frauen, daß sich ein Mann und eine Frau umarmten und ihre Lippen aufeinander drückten. Das mußte etwas ganz Besonderes sein, es sah so liebevoll aus. Ein paar der Yanomami-Frauen sahen sich verstohlen nach ihren Männern um, die auf dem Shabono die Totenfeier vorbereiteten.
Das Dorf hatte für Sofia und Marco auch ein Hochzeitsgeschenk vorbereitet. Während ein Teil der Krieger die Pfeilgiftfrösche sammelte, war ein anderer Trupp auf die Jagd gegangen und hatte drei Pekaris erlegt, gut genährte Nabelschweine, die an den Ufern der kleinen Nebenflüsse lebten und deren Fleisch vorzüglich schmeckte. Nun brutzelten sie am Spieß über den offenen Feuern, und ein köstlicher Bratenduft zog durch das ganze Dorf. Einige Frauen fingen in ausgehöhlten Kürbisschalen das tropfende Fett auf und begossen damit immer wieder das knusprig werdende Fleisch.
Sofia und Marco standen Arm in Arm vor Pater Ernesto, der seine Stola zusammenrollte.
»Wie lange werden wir noch leben?« fragte Sofia.
»Das weiß nur Gott allein.«
»Wenn sie unser Dorf erreichen, gibst du uns dann vorher die Sterbesakramente?«
»Nein.«
Sofia sah Ernesto entsetzt
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