Das Regenwaldkomplott
hatte und niederkniete, läutete Vincence die Glocke. Der vertraute, scheppernde Ton flog über die Mission.
»Tom«, flüsterte Luise, aber sie weinte nicht mehr, zu groß war das Glück, wieder vor dem verwitterten und schiefstehenden Holzkreuz zu knien. »Tom, ich bin wieder da. Und ich werde jetzt bei dir bleiben für immer.«
Und dann grub sie wieder ihre Hände in die Erde des Grabes und spürte, daß der Tod kein Abschied war, sondern nur ein Aufschub, bis sie sich in der Ewigkeit wiedersahen.
Schon nach wenigen Tagen begriff Pater Vincence, in welche Tragödie er zurückgekommen war. Immer neue Garimpeiros, Holzfäller und Fabrikarbeiter strömten über die illegalen Urwaldlandepisten in das Land der Yanomami. Es wurde getötet und vergewaltigt. Mehr als je ratterten die Motorsägen deutschen Fabrikats und fraßen sich in den Regenwald. Mehr Feuer als je loderten in den Himmel, der sich unter den Rauchwolken fahlgrau färbte. Im oberen Rio Parima schwammen jetzt 49 ›Dragos‹, Riesenbagger, die aus dem Flußbett den Goldsand holten und das Gold dann mit Quecksilber auswuschen. Sie verseuchten den Fluß, aus dem die Yanomami ihr Trinkwasser holten, in dem sie badeten, ihre Wäsche wuschen und mit dem sie ihre Mahlzeiten kochten. Auch die Fische, die sie fingen, waren mit Quecksilber belastet. Sie wußten es nicht, niemand hatte sie gewarnt. Für sie war der Rio Parima noch immer klar und sauber und gehörte zu ihrem Leben. Ein Leben, das langsam und schleichend vergiftet wurde.
Pater Vincence schrieb einen langen Bericht über diesen stillen Mord an die in Brasilia tagende Bischofskonferenz. Natürlich erfuhren Bilac und Beja sofort davon und unterrichteten Assis und Lobos. Aber dieses Mal war es zu spät für die FUNAI , die Mission wieder räumen zu lassen wegen Verleumdungen und Lügen. Denn nicht nur aus Santo Antônio kamen die Klagen, daß die FUNAI und andere Behörden in Roraima ganz offen gegen die Gesetze verstießen, willkürlich und zugunsten der Großgrundbesitzer Genehmigungen erteilten und alles unterließen, die Yanomami und den Regenwald zu schützen – auch aus anderen Gebieten liefen bei den Bischöfen alarmierende Berichte ein.
Die Zahl der Garimpeiros schätzte man jetzt auf über 100.000, und es wurden täglich mehr. Auf über 120 heimlichen Pisten landeten sie, über 350 Privatflugzeuge waren jeden Tag unterwegs mit Glücksrittern und Nachschub. Aus dem Gebiet am Fluß Urarioera meldeten Missionare, daß auf dem Fluß 850 große Baggerflöße schwammen, jedes Floß mit mehr als sechs Goldschürfern besetzt. Das waren allein in diesem kleinen Gebiet 5.100 Garimpeiros, die den Fluß mit Quecksilber und Motorenöl verseuchten.
Das Ausmaß der Zerstörung war so ungeheuer, daß sich bei den Bischöfen Entsetzen verbreitete, und man beschloß, in einem großen Aufruf nicht nur das eigene Land, sondern die ganze Welt mit den Tatsachen zu konfrontieren. Sosehr sie sich bemühten, weder der Gouverneur von Roraima, Coronel Bilac oder Arlindo Beja, noch Miguel Assis und Paulo Lobos konnten das Erscheinen dieser Anklage verhindern.
Am 15. Dezember 1988 wurde diese Resolution der Bischöfe veröffentlicht:
Nationale Bischofskonferenz von Brasilien:
Zur Verteidigung des Volkes der Yanomami Vorstandschaft und Bischöfliche Pastoralkommission der Nationalen Bischofskonferenz von Brasilien am 15. Dezember 1988 in Brasilia.
Einleitung
Die Gewalt gegen die Yanomami fügt sich in den Rahmen einer Indianerpolitik der Regierung, die indianische Gemeinschaften in einem Ausmaß marginalisiert und zerstört, das einem Völkermord gleichkommt.
Die offizielle Indianerpolitik hat sich in den letzten Jahren immer mehr der Praktik verschrieben, Indianervölkern jene minimalen Bedingungen zu entziehen, die es ihnen ermöglichen, ihre Identität und vielfach sogar ihr physisches Überleben zu sichern.
Ökonomische Gruppen, angelockt von der Gier nach neuen Gewinnmöglichkeiten vor allem in der Holz- und Erzgewinnung, schrecken nicht vor einer Invasion und Plünderung indianischer Gebiete zurück.
Dramatisch entwickelt sich diese Situation im Amazonasgebiet, das von Regierungsplanern als ›leerer Raum‹ betrachtet wird, den es noch zu besiedeln gilt. Die Indianer werden hier als Hindernis für die großkapitalistischen Unternehmungen an der Nordgrenze des Landes betrachtet.
Wie aus einer Untersuchung der 3. Unterabteilung im Generalsekretariat des Nationalen Sicherungsrates ( Conselho de Segurança
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