Das Regenwaldkomplott
Nacional) hervorgeht, verstehen Regierungskreise unter ›wahrer Indianerpolitik‹ eine ›Eingliederung der Indianer in die nationale Gemeinschaft‹. Mit dieser Politik wird beabsichtigt, den Indianer zur Aufgabe seiner Identität zu zwingen, indem man ihn von seinen traditionellen Gebieten abtrennt, die dadurch wiederum für eine wirtschaftliche Ausbeutung verfügbar werden.
Obwohl die neue Verfassung die Rechte der Indianer in umfassender und unmißverständlicher Form schützt, deutet nichts darauf hin, daß sich die Regierung zu einer Änderung der derzeit gültigen Indianerpolitik entschließt und – was noch weit weniger zu erwarten ist – daß sie eine Entscheidung trifft, bereits begangene Verstöße gegen die menschlichen, kulturellen und politischen Werte der indianischen Völker zu überprüfen.
Das derzeitige Vorgehen der Regierung gegen das Volk der Yanomami zeichnet sich durch die Kaltblütigkeit aus, mit der es begangen wird. In der Konsequenz wird es – schlicht und einfach – zur Vernichtung eines der größten indianischen Völker führen, die in der heutigen Welt ihre traditionelle Kultur noch intakt bewahrt haben. Niemals in seiner gesamten Geschichte sah sich das Volk der Yanomami einer stärkeren Bedrohung ausgesetzt.
Angesichts der drohenden Ausrottung der Yanomami ruft die Kirche in Ausübung des prophetischen Aspekts ihrer Mission alle Brasilianer auf, um in konkreter Form ihre Solidarität mit den Indianern und ihre Verantwortung für ein physisches und kulturelles Überleben dieses Volkes zu bekunden.
Yanomami
Das Volk der Yanomami ist eines der größten indianischen Völker, das seine Kultur noch heute intakt bewahrt.
9.000 Yanomami leben in den Bundesstaaten Amazonas und Roraima im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Venezuela. Diese Besiedlung des brasilianischen Nordens ist historisch durch orale Tradition der Indianer und durch Berichte wissenschaftlicher Expeditionen seit dem 18. Jahrhundert bezeugt. Das von den Yanomami bewohnte Gebiet ist hügelig, mit reißenden Flüssen, dichtem Regenwald sowie Lichtungen mit lockerer Vegetation. Bekannt als Bergland von Guayana, gehört diese Region zu den ältesten geologischen Formationen des südamerikanischen Kontinents.
Der Boden ist für eine intensive Landwirtschaft ungeeignet, doch gelingt es den Yanomami seit Jahrhunderten zu überleben, da sie die natürlichen Ressourcen und das ökologische Gleichgewicht bewahren. Die Yanomami räumen die von ihnen benutzten Gebiete in periodischen Abständen, damit sich Boden, Flora und Fauna erneuern können. Ihre Hütten verlegen sie alle drei oder vier Jahre an neue Plätze im Urwald. Der Urwald erhält so die Möglichkeit, sich neu heranzubilden, und kann daher auch von zukünftigen Yanomami-Generationen nutzbar gemacht werden.
Bis 1950 konnten sich die Yanomami in demographischer wie räumlicher Hinsicht frei entfalten. Ab den fünfziger Jahren begannen sich in ihrem Gebiet verschiedene Missionen niederzulassen, wie z.B. die Evangelische Mission im Amazonasgebiet ( Missão Evangélica da Amazônia ), die Mission Neue Indianerstämme Brasiliens ( Missão Novas Tribos do Brasil) und die gegenwärtigen Diözesen von Rio Negro und Roraima.
Gemäß dem ›Programm der Nationalen Integration‹ ( Programa de Integração Nacional), das von der Regierung Medici herausgegeben wurde, ließen sich von 1970 an Dienststellen der FUNAI im Gebiet nieder. Mit dem Bau der Fernstraße Perimetral Norte ( BR 210) – die das Gebiet im Südosten durchquert – wurden 1973 die Yanomami in besorgniserregender Weise von Krankheiten (Masern, Grippe, Tuberkulose, Malaria und Geschlechtskrankheiten) befallen, die von Abholztruppen eingeschleppt worden waren.
Im Jahre 1983 war das Auftreten von Tuberkulose unter den Yanomami viereinhalbmal so hoch wie die Tuberkuloserate, die für die brasilianische Gesamtbevölkerung angenommen wurde (24 von 10.000 gegenüber 5,2 von 10.000). Auch trugen Veränderungen in den kulturellen Gewohnheiten zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes dieses Volkes bei. Das Auftreten von ›Flußblindheit‹ ( Onchocercose ), die in Afrika und Amerika für das Erblinden Tausender verantwortlich ist, hat sich unter den Yanomami außerordentlich verstärkt. In einigen Regionen sind bereits bis zu hundert Prozent der Erwachsenen davon betroffen. Darüber hinaus vergiftet sich das Volk der Yanomami ständig durch den Verbrauch von Wasser, das durch die Goldwäscherei verunreinigt
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