Das Regenwaldkomplott
einmal verrät er sich und tappt in die Falle.«
Camilo Ramos wurde zunächst völlig unfeierlich in einen Kühlraum gestellt. Die Vorbereitungen zu der großen Trauerfeier nahmen ein paar Tage in Anspruch. Außerdem sollte der Tote noch obduziert werden, um festzustellen, ob es ein normaler Pfeil gewesen war oder ein an der Spitze mit Curare vergifteter. Die chemische Untersuchung des Pfeiles war negativ ausgefallen. Nur eines war sicher: Es war einer der überlangen Pfeile, wie sie die Yanomami für die Jagd und bei ihren Stammeskriegen benutzten. Von einem Palmholzbogen abgeschossen, der eine besonders große Spannung hatte, drangen sie tief in den Körper des Opfers ein.
Am Abend versammelten sich alle Mitglieder des ›Rates Neues Brasilien‹ in der Bibliothek der schloßartigen Villa von Senhor Assis. Sie lag etwas außerhalb von Manaus am Rio Negro, umgeben von einem riesigen Park, der Tag und Nacht von Pistoleiros mit scharfen Hunden überwacht wurde. Deutsche Schäferhunde und mordlustige Rottweiler, auf den Mann dressiert.
» Caros amigos «, begann Assis seine Rede, als alle ihren Platz eingenommen hatten und mit Zigarren, Zigaretten und einem köstlichen weißen Burgunder versorgt waren. »Wir sind zusammengekommen, nicht um unseren Kameraden Camilo zu betrauern, sondern um zu überlegen, wie wir zurückschlagen können. Wer der Rote Pfeil ist, weiß zur Stunde noch niemand. Auf den Einsatz von Coronel Dinis zu warten dauert mir zu lange. Es muß vorher etwas geschehen. Wir müssen ein Zeichen setzen. Auge um Auge, Zahn um Zahn, wie es die Bibel lehrt. Für jeden ›Bestraften‹, wie der unbekannte Mörder es nennt, erfolgt ein Gegenschlag von uns. Wir alle wissen, daß wir gefährdet sind, jeder von uns. Ein Verein von irren Idealisten, die den Fortschritt verhindern wollen und denen ein Stück Regenwald wichtiger ist als die Erschließung, als die Hebung der Bodenschätze, als neue Viehweiden, Eisenhütten, Aluminiumwerke, Goldminen, Uranbergbau, also die Zukunft Brasiliens und die Hebung der Schätze unter der Erde. Brasilien hat 150 Milliarden Auslandsschulden. Jeder andere Staat würde Konkurs anmelden, würde zum Armenhaus dieser Welt, würde sich voll in die Abhängigkeit internationaler Banken geben. Brasilien aber nicht! In unserem Boden liegen Schätze von schwindelerregenden Ausmaßen, man braucht sie nur zu heben. Daß über diesen Schätzen Wälder stehen, mag für die Naturenthusiasten eine Tragödie sein, für uns und für Brasilien ist es eine Verpflichtung, die Billionen unter der Erde ans Tageslicht zu fördern. Und dieser Verpflichtung wegen droht man uns mit dem Tod und mordet, wie es mit unserem Freund Camilo geschah. Und ich sage euch jetzt: Wir nehmen das nicht mehr wehrlos hin!«
Die Versammlung der Großgrundbesitzer und Fabrikanten nickte stumm. Nur einer meldete sich zu Wort. Paulo Lobos, Besitzer von vier großen Holzwerken in Roraima. Er hatte bisher über 400.000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt oder niedergebrannt, in diesem Jahr würden es 600.000 Quadratkilometer sein. Auch die Wälder am Rio Parima standen auf der Liste.
»Wie stellst du dir das vor, Miguel?« fragte er. »Jeder von uns hat schon seine eigene kleine Privatarmee, aber der Gegner ist unsichtbar.«
Die anderen murmelten Beifall. Miguel Assis winkte ab.
»Wir alle kennen Julio Maputo.« Die Versammlung nickte wieder. Wer kannte Maputo nicht? Nicht nur in Brasilien, in der ganzen Welt sprach man über ihn. Die Bewegung ›Rettet Wald und Mensch‹ versorgte die Weltpresse mit Daten und Zahlen, berichtete von den Verfolgungen und lautlosen Vernichtungen der Indios, rechnete vor, daß im Jahre 2010 der Amazonaswald verschwunden sein würde und eine Klimakatastrophe die ganze Menschheit treffen konnte. Julio Maputo war der Führer der Bewegung, reiste von Land zu Land, sprach auf Massenveranstaltungen in ganz Brasilien und rief immer wieder: »Wir sind das Gewissen der Menschheit! Wir wollen leben, aber nicht Opfer des Großkapitalismus werden. Wir müssen verhindern, daß der Regenwald stirbt.«
Zweimal schon war er einem Attentat entgangen. Als Auftraggeber hatte er die Großgrundbesitzer beschuldigt, aber beweisen konnte er nichts. Assis nannte ihn einen Staatsfeind, aber die Militärregierung griff nicht ein. Maputo war zu populär, um ihn einfach in irgendeinem Gefängnis verschwinden und vermodern zu lassen. Die übrige Welt verfolgte seinen Kampf um den Regenwald und verstand ihn. Aber sie
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