Das Regenwaldkomplott
beauftragten Pistoleiros. Man sah den Wagen nicht an, daß sie rollende Festungen waren: Cadillacs und Mercedes', Rolls-Royce' und Bentleys, Daimlers und BMWs. Sie waren innen mit so starken Stahlplatten ausgerüstet, daß sie nur halb so schnell wie normal fahren konnten. Man brauchte nicht zu flüchten; wer in einem solchen Auto saß, war keiner Gefahr mehr ausgesetzt. Es gab kein Geschoß, das die Stahlplatten oder das Panzerglas durchschlagen konnte. Nur eine Rakete konnte Schaden anrichten. Wer aber besaß schon eine panzerbrechende Rakete? Pfeile gegen Stahl – eine Metapher für Macht und Ohnmacht.
Als die Autokolonne durch das geöffnete schmiedeeiserne Tor von der Auffahrt zu Assis' schloßartiger Villa in die Straße einbog, achtete niemand darauf, daß zwei Straßenarbeiter damit beschäftigt waren, die Straße mit breiten Besen zu kehren, obwohl nicht der geringste Schmutz herumlag. Es waren zwei Mestizen, eine Mischung von Weißen und Indios, sie stützten sich auf die Stiele ihrer Besen und sahen der Autokolonne nach, die sich am Ende der Straße auflöste und sternförmig in Nebenstraßen verschwand. Dann blickten sie hinüber zu dem riesigen Tor, das sich elektrisch schloß und mit einem Klirren einrastete. Auf den Mauersäulen und in den hohen Bäumen erkannte man deutlich die Fernsehkameras, die jeden Meter des großen Grundstückes überwachten. Es war unmöglich, über die Mauer zu klettern, ohne von den Kameras erfaßt zu werden.
»Sie haben wieder über unseren Tod gesprochen«, sagte der eine und spuckte zur Seite aus.
»Aber sie werden mit uns untergehen!« erwiderte der andere und schulterte seinen breiten Besen. »Sie sind sich zu sicher, die Stärkeren zu sein.«
Camilo Ramos' Beerdigung wurde fast wie ein Staatsakt zelebriert.
Tausende von Menschen – das Fernsehen von Manaus schätzte 4.000 Trauernde – begleiteten den Sarg. Er lag auf einer Art fahrendem Podest, ausgeschlagen mit schwarzem Samt und geschmückt mit Girlanden aus golden gespritzten Blüten. Auf dem Sargdeckel lag außer einem bronzenen Christus nur ein einziger, großer Strauß roter Rosen, ohne Schleife und Namen, aber jeder wußte, daß sie der letzte Gruß der Familie waren. Das Podest zogen vier Rappen mit vergoldetem Geschirr, und neben dem Sarg gingen dicht aufgeschlossen zehn Pistoleiros in einer Phantasieuniform, die Ramos vor Jahren für seine eigene kleine Armee entworfen hatte. Minister, der Bischof von Manaus, hohe Beamte, alle Freunde Camilos, an der Spitze Miguel Assis und Paulo Lobos, folgten dem mit Schnitzereien reich verzierten Sarg. Auch Coronel Eugenio Dinis und Arlindo Beja waren unter den Ehrengästen, und alle umgab ein Kordon von Polizisten und Militär, die nur eine einzige Aufgabe hatten: Die Sicherheit der prominenten Trauernden. Ein anonymer Brief war drei Stunden vor dem Begräbnis auf Dinis' Schreibtisch gelandet. In ihm wurde ein Attentat während der Trauerfeierlichkeiten angekündigt.
Es konnte eine leere Drohung sein, aber Dinis nahm das Schreiben ernst. Er löste Alarmstufe eins für die Armee aus, und die Polizei schloß sich sofort an. Miguel Bilac schlug mit der Faust auf den Tisch, als Dinis ihn anrief.
»Soweit sind wir also schon«, schrie er ins Telefon, »daß wir für eine Beerdigung Polizeischutz brauchen. Man sollte dieses ganze Gesindel, dieses stinkende Pack einfach ausräuchern, so wie man Wanzen vernichtet.«
»Welches Pack?« fragte Dinis ruhig.
»Die Indios! Und die Verrückten um Maputo!«
»Miguel, kein Indio wird nach Manaus kommen, um ein Begräbnis zu stören.«
»Aber einer dieser Umweltidioten!«
»Was hätte er davon, wenn er einen dieser Geldsäcke erschießt?«
»Eugenio, wie redest du plötzlich?« Bilac schüttelte den Kopf. Dinis sah ihn fast körperlich vor sich, wie seine Fischaugen auf den Telefonhörer starrten. »Was wären wir ohne diese Geldsäcke?«
»Unbestechliche, ehrliche Ehrenmänner.«
»Gibt's die?«
»Zumindest sind sie selten.«
»Keiner von uns kommt mit seinem miesen Gehalt aus. Wir sind unterbezahlt, und da ist es fast logisch, daß jeder versucht, aus irgendeiner Quelle zu trinken, um nicht zu verdursten.«
»Oft ist es schmutziges Wasser, Miguel. Man kann sich an ihm vergiften.«
Bilac mußte wieder mit dem Kopf schütteln. Dieser Eugenio Dinis, Coronel der brasilianischen Armee, Kommandeur der Truppen in Manaus, ausgezeichnet mit Verdienstorden und wegen seiner Tüchtigkeit mit dem schwierigsten Kommando des
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