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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem ein Minister und danach Miguel Assis eine Rede hielten, fehlten die Witwe Ramos und die beiden Kinder. Sie waren zu Hause geblieben; Assis hatte es ihnen geraten. Um so besser wußten die TV- und Radiostationen Bescheid. Sie berichteten von einem fast tödlichen Schock der Witwe und Nervenzusammenbrüchen der Kinder. Das Mitleid des ganzen Landes gehörte ihnen. »Die Mordserie der Indios, vor allem der Yanomami, hält an«, sagte einer der TV-Sprecher zu den Trauerzugbildern. »Wie lange soll das so weitergehen? Verfolgt die FUNAI nicht eine verfehlte Indianerpolitik? Schutz für die Indianer, die unsere Brüder ermorden! Das ist doch eine verkehrte Welt, liebe Herren in Brasilia. Das hat auch mit dem Christentum nichts mehr zu tun. Liebet eure Feinde – in den Wäldern des Amazonas gelten andere Gebote. Warum begreift es die Kirche nicht? Warum? Der heutige Tag sollte uns allen zu denken geben. Einen Mörder kann man nicht mit Liebe behandeln.«
    »So ist es richtig«, sagte Bilac zufrieden und genoß den Fernsehbericht, der am Abend in ganz Brasilien gesendet wurde, ebenso wie in den USA, in Europa und in Asien. »Das geht ans Herz. Das merkt man sich und denkt nicht mehr an die paar Bäume, die gefällt werden.« Bilac war sehr zufrieden.
    Eine Woche später zerplatzte seine Zufriedenheit wie eine Seifenblase. Fassungslos und vor allem in Bedrängnis, was er nun unternehmen sollte, las er die Meldungen, die pausenlos von den verschiedenen Polizeistationen bei ihm einliefen. Auch aus Manaus meldete sich sein Kollege, der Polizeichef Caetano Lebre, und teilte ihm die Ungeheuerlichkeit mit. In Boa Vista, Surucucu, Santa Rosa, Vista Alegre, Catriman, Mucajá, Urarioera Murupu, Parima und Machado, in Santo Antônio und Caracaral, eigentlich überall in Roraima, wo es eine Stadt, ein Dorf oder eine Siedlung gab, und nun auch in Manaus hingen an den Häuserwänden rot umrandete Plakate mit dem Text:
    Achtung! Wer will sich 100.000 Dollar verdienen?
Diese Summe bekommt der Mutige, der Julio Maputo tötet!
Wer es getan hat, ruft die Telefonnummer Boa Vista 59 23 an.
    Unter diesen Zeilen war ein Foto von Maputo abgedruckt. Maputo während einer Rede auf einer Versammlung seiner Bewegung ›Rettet Wald und Mensch‹. Ein schöner Kopf, eingerahmt von schwarzen Locken, mit feurigen Augen und jetzt, während der Ansprache, mit einem etwas verzerrten Mund. So kannten ihn Tausende, Hunderttausende: Ein Prophet, der gegen die Zerstörung des Regenwaldes aufrief, gegen die Vernichtung der Indios, gegen die Ausbeutung des Landes, gegen den Untergang Brasiliens, das im Jahre 2012 – so hatten es Ökologen ausgerechnet – statt mit Urwald nur noch mit einer ausgetrockneten Steppe bedeckt sein würde.
    Miguel Bilac handelte nach einer anfänglichen Lähmung, wie ein Polizeichef in einem solchen Fall handeln mußte.
    Die Telefonnummer 59 23 gehörte einer harmlosen Lederfabrik in Boa Vista. Sie gerbte Felle und stellte feinstes Leder für Polstermöbel her, das fast ausschließlich nach Europa und Japan exportiert wurde. Ein solider, gesunder Betrieb, der nur den Fehler hatte, seine ätzenden und mit Säuren versetzten Abwässer ungeklärt in den Rio Branco zu leiten. Aber das war überall so … Kläranlagen waren noch keineswegs selbstverständlich.
    Der Geschäftsführer der Lederfabrik schwor heilige Eide, von diesen Plakaten nichts zu wissen. Er weinte fast über die Ungeheuerlichkeit, seine Telefonnummer für einen Mordaufruf zu mißbrauchen.
    »Senhor Bilac«, rief er verzweifelt, »Sie kennen mich jetzt schon zwölf Jahre! Wie können Sie mich verdächtigen, mit dieser Schweinerei etwas zu tun zu haben?! Ich war immer ein ehrlicher Mensch. Ich setze doch kein Kopfgeld aus – in aller Öffentlichkeit! Das ist doch ein Wahnsinn, so etwas zu denken!«
    »Und wenn sich jemand findet, der für 100.000 Dollar Maputo erschießt?«
    »Das wäre schrecklich.«
    »Und dieser Mann ruft wirklich bei Ihnen an – was würden Sie dann tun?«
    »Es sofort an Sie melden, Senhor Bilac. Welch eine Frage!«
    »Und es hat niemand mit Ihnen vorher darüber gesprochen?«
    »Bei meiner Seele, nein.«
    Bilac war überzeugt von dem, was der Geschäftsführer sagte. Überall in Roraima begannen die Nachforschungen. Die Polizei verhaftete verdächtige Personen, vor allem Arbeitslose, denn irgend jemand mußte ja die Plakate in der Nacht an die Hauswände geklebt haben. Das war schnell verdientes Geld für die Herumlungernden, aber alle Verhöre

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