Das Regenwaldkomplott
begann Assis mit einer öligen Stimme und lächelte dabei, »daß Sie auf der Jagd nach dem Plakathersteller sind. Ihre Polizisten gehen nicht gerade zimperlich mit den Verdächtigen um, aber haben Sie schon einen Erfolg gehabt?«
»Nein, Senhor Assis«, antwortete Bilac. Es war, als habe ihm Assis ins Gesicht gespuckt. »Noch nicht …«
»Warum sind Sie überhaupt so wild auf den Initiator dieser Aktion?«
»Ein Mordaufruf? Es ist meine Pflicht, mit allen Mitteln –«
Assis hob die Hand und winkte ab. Bilac vollendete den Satz nicht mehr.
»Es ist Ihre Pflicht, für Ruhe im Land zu sorgen. Sehe ich das richtig so?«
»Vollkommen, Senhor Assis.«
»Es ist weiterhin Ihre Pflicht, alle Unruhestifter auszuschalten zum Wohle der Allgemeinheit, des Staates, des Friedens –«
Bilac schwieg. Plötzlich wußte er, was Assis mit den kommenden Sätzen noch sagen würde, und er dachte an Eugenio Dinis, der ihn verschwommen gewarnt hatte. Und richtig, Assis hatte keine Hemmungen, es klar auszusprechen. Warum auch? Das Kuvert war deutlich genug.
»Wer ist der größte Unruhestifter im Land? Nicht nur in Roraima, nein, in ganz Brasilien? Wer beschmutzt im Ausland das Gesicht unseres geliebten Vaterlandes? Wer stellt uns, Sie, mich und alle anderen integren Männer als Verbrecher dar, als Zerstörer unserer Welt? Julio Maputo. Haben Sie nie darüber nachgedacht, Miguel?«
»Es bleibt dennoch ein Aufruf zum Mord.«
»Es kann die Empörung eines einzelnen sein. Wissen Sie, ob das Kopfgeld auch bezahlt wird, ob sich ein Idiot findet, der diesen Aufruf ernst nimmt?«
»Natürlich weiß ich das nicht.«
»Es könnte ja auch nur eine Warnung für Maputo sein. Ihm soll angst gemacht werden. Betrachten Sie diese Plakate als einen dummen Scherz. Vielleicht steckt wirklich ein Verrückter dahinter.«
»Wenn man es so sieht, Senhor Assis«, sagte Bilac gedehnt.
»Bitte sehen Sie es so.«
Ein Einzelgänger, der die Möglichkeit hat, überall im Land die Plakate ankleben zu lassen, bis hinunter nach Manaus? Ein armer Irrer, der so viel Geld ausgibt für eine Wahnidee? Ein Verrückter, der eine Organisation von Schweigenden befehligt? Senhor Assis, ich verstehe. Sprechen wir nicht weiter darüber. Ich weiß nicht, was in dem Kuvert steckt, aber Sie waren immer so großzügig gewesen. Blasen wir die Aktion also ab. Offiziell habe ich mein möglichstes getan. Schatten kann man nicht greifen. Es ist jetzt Maputos Sache, sich mit dem Plakat auseinanderzusetzen.
»Ich hatte sowieso vor, die Suche abzubrechen«, sagte Bilac und goß noch einen Kognak in die Gläser. »Darf ich Sie zum Mittagessen einladen, Senhor Assis?«
»Gern, aber ein andermal. Ich habe noch viel in Boa Vista zu regeln. Keine Zeit. Sie wissen ja, was für uns eine Stunde bedeutet. Verlorene Zeit kann man nicht zurückholen.« Assis erhob sich und gab Bilac die Hand. »Ich wünsche Ihnen alles Gute, Miguel.«
» Obrigado , Senhor Assis.« Das Danke blieb Bilac fast im Halse stecken, so würgte es ihn. Aber kaum hatte sich die Tür hinter Assis geschlossen, griff er nach dem Kuvert und riß es auf. 2.000 Dollar, immerhin. Nicht üppig für den Wunsch, die Augen zu schließen, doch das Plakat würde in naher Zukunft noch mehr einbringen. Es wird ein teurer Anschlag werden, Senhor Assis. Mit den 100.000 Dollar und diesen läppischen 2.000 ist es nicht getan. Maputos Kopf ist Millionen wert, das wissen Sie und ich genau. Millionen, die Sie nicht verdienen werden, wenn Maputos Aufrufe die Welt aufrütteln und die Vernichtung des Regenwaldes gestoppt werden.
Ob es wirklich jemanden gibt, der für das Kopfgeld Maputo tötet?
Bilac griff zum Telefon und gab einen Befehl durch.
Eine Stunde später wußte er, daß Assis die anständige Lederfabrik besucht hatte. Nur kurz, ein paar Minuten.
Aber er wußte nicht, daß die ehrbare Häuteverwertung zu Assis' Konzern gehörte.
Was hätte dies auch geändert?
* * *
Bis zum Mittag waren sie damit beschäftigt, ihre Zimmer einzurichten, die Koffer auszupacken und nachher zu duschen. Der Schweiß lief ihnen herab, jede schnelle Bewegung erzeugte einen neuen Schweißausbruch, und trotz der summenden, sich drehenden Propeller der Deckenventilatoren war die Luft so dicht und schwül, daß man sie, wie Thomas Binder sagte, mit einem Messer hätte schneiden können.
Noch vor dem Mittagessen streifte Thomas seinen vom Transport zerknitterten weißen Arztkittel über und ging zu dem kleinen Hospital hinüber. Erstaunt und dann
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