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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit einem unterdrückten Lächeln sahen ihn Schwester Lucia und der Krankenpfleger Luigi an.
    In einem der Krankenzimmer hörte er die Stimme von Pater Ernesto. Er sprach mit einem Indio, der auf einem Eisenbett lag, das oft abgestoßen und immer wieder neu gestrichen worden war. Pater Ernesto hob den Kopf, als Thomas eintrat. Auch er musterte ihn, nickte ihm dann zu und beugte sich wieder über den Kranken. Thomas trat näher ans Bett. Der Indio starrte ihn an wie einen Geist, der plötzlich aus der Erde gekommen war. Dann umklammerte er die Hände des Paters und verkrümmte sich wie bei einem Krampf. Ernesto sagte ein paar Worte in der Yanomami-Sprache, löste die Finger des Indios von seinen Händen und richtete sich auf.
    »Ihr weißer Kittel macht ihm angst«, sagte er. »Für ihn sehen Sie aus wie ein unbekannter Geist. Ziehen Sie den Fummel aus. Wir brauchen hier nicht dieses Statussymbol. Hier ist nicht die Uni-Klinik Hannover, sondern ein elendes Urwald-Hospital. Oder hatten Sie etwas anderes erwartet?«
    »Nein.« Thomas zog seinen Kittel aus und warf ihn auf einen Stuhl. Er trug nur noch ein dünnes Unterhemd und eine hellgraue Hose aus Baumwolle, aber mit einer korrekten Bügelfalte. »Was hat der Mann?« fragte er und trat neben das Bett. Der Indio starrte ihn angstvoll an.
    »Ich weiß es nicht. Er klagt über Schmerzen im Unterbauch, aber wenn er die Stelle zeigen soll, kann er das nicht. Mal zeigt er auf die Blase, mal auf die linke Leiste, mal auf die Nabelgegend.«
    Tom blickte den Yanomami an. Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich streckte sich der verkrümmte Körper, kein Krampf war mehr da, und sein Blick war jetzt klar und neugierig. Pater Ernesto legte seine Hand auf den Arm des Arztes.
    »Sie wollen ihn untersuchen?«
    »Natürlich. Das muß ich doch.«
    »Wissen Sie, wie lange es gedauert hat, bis ich einen von diesen Indios anfassen durfte? Die Medikamente, die man schlucken kann, die nehmen sie dankbar an, aber anfassen – unmöglich. Und eine Spritze geben – undenkbar. Den ersten, den ich untersuchen konnte, kam nicht ins Hospital, sondern blieb in seiner Hütte. Unter der Aufsicht des Medizinmannes durfte ich ihn berühren, und es war auch noch eine delikate Angelegenheit. Eine Entzündung des Geschlechtsteils, bei der weder Pflanzensäfte, Salben, Blätterumschläge oder Beschwörungen halfen – der Medizinmann war am Ende. Erst da durfte ich den Kranken berühren. Mit einer Antibiotika-Salbe und drei Penicillin-Injektionen ging die Entzündung weg. Aber das Theater, als ich mit der Nadel kam! Einen Yanomami stechen – doch mittlerweile haben sie sich daran gewöhnt, aber nur bei mir. Sie müssen sich erst das Vertrauen der Indios erkaufen.«
    »Erkaufen? Wie?«
    »Durch eine Heilung.«
    »Ohne eine Untersuchung? Das machen Sie mir erst mal vor.«
    »Versuchen wir es.« Pater Ernesto beugte sich zu dem Yanomami hinunter und sagte etwas in der melodisch klingenden Indiosprache. Der Kranke starrte Thomas wieder an, nickte dann und legte sich auf den Rücken. Er spreizte Arme und Beine etwas auseinander, eine Geste der Ergebung. Tom setzte sich neben ihn auf die Bettkante und zeigte dem Indio seine Hände.
    »Sagen Sie ihm, Pater, daß ich gleich seinen Körper abtasten werde und daß es irgendwo dabei weh tun wird. Er wird vielleicht stöhnen vor Schmerz.«
    Ernesto übersetzte es, aber dann sagte er: »Damit werden Sie kein Glück haben, Doktor. Ein Yanomami wird sich nie die Blöße geben, vor einem Fremden seine Schmerzen zu zeigen.«
    »Ich weiß. Das haben wir als Kinder schon gelesen.« Thomas lächelte kurz. »Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Das nutzt mir gar nichts. Sagen Sie dem Mann, er soll es mir zeigen, wenn ich beim Abtasten an die schmerzhafte Stelle komme. Wie soll ich sonst lokalisieren?«
    Pater Ernesto übersetzte auch das. Der Yanomami antwortete mit einigen kehligen Lauten.
    »Er will Ihnen den Schmerz zeigen. Doktor, das ist ein Vertrauensbeweis. Sie haben schon halb gesiegt. Gratuliere. Das spricht sich im Shabono herum. In jeder Maloca wird man Ihren Namen kennen.«
    Der kranke Yanomami hatte still zugehört, jetzt wurde er unruhig. Er trommelte mit den Hacken auf das Bett. Thomas lachte und beugte sich über den nackten, hellbraunen Körper. »Recht hast du, mein Junge«, sagte er. »Erst der Patient, dann das andere. Nun wollen wir mal.«
    Vorsichtig tastete er den Unterbauch des Indios ab. Er mußte dabei an seinen Lehrer für Innere Medizin denken,

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