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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alles. Ramos hat hier gewohnt, wenn er seine Goldminen besichtigte, Beja und Bilac machen hier Station, alle Geologen und Anthropologen, alle Forscher und Ingenieure, die den Wald ›urbar‹ machen wollen, in den nächsten Tagen wird Carmona eintreffen. Er sieht alles. Aber einen großen Fehler macht er: Er tritt in der Maske der Indios auf. Das nützt den Indianern gar nichts, im Gegenteil, der Haß auf sie wird nur noch größer, und ihre Ausrottung ist um so weniger aufzuhalten. Tom, sagen Sie ihm das.«
    »Sagen?« Thomas steckte den Zettel wieder in seine Hosentasche. »Das ist doch unmöglich!«
    »Sie werden ihm einmal begegnen.« Pater Vincence hob den roten Pfeil hoch und rammte ihn dann mit aller Kraft in den Boden. »Spätestens dann, wenn er einen Arzt braucht. Dann werden wir wissen, wer es ist.«
    »Nein.« Thomas zog den Pfeil wieder aus der Erde und klemmte ihn sich unter seine linke Achsel. »Von mir werden Sie nichts erfahren, Pater. Ich habe als Arzt meine Schweigepflicht – auch wenn es jemand ist, der tötet und noch weiter töten wird. Aber das mit der falschen Maske, das sage ich ihm.«
    * * *
    Julio Maputo wohnte in einer Siedlung von Seringueiros, Gummizapfern, südlich von Surucucu am Rio Macajai. Es war ein einfaches Haus mit einem gemauerten und weiß getünchten Untergeschoß und nur einem Stockwerk aus Holz, das mit einer leuchtenden blauen Farbe gestrichen war. Eine massive Tür führte ins Haus, und alle Fenster hatten dicke Läden. Wenn sie geschlossen waren, sah das Haus wie eine Festung aus. In jeden Laden hatte man Schlitze gesägt, Schießscharten nach allen Seiten. Es mußte schon ein besonders guter Scharfschütze sein, der durch diese Schlitze hätte schießen können. Das Holz der Läden war so dick, daß eine normale Kugel sie nicht durchschlagen konnte. In einem weiten Kreis, wie ein Schutzring, standen die anderen Häuser um Maputos Festung. Hier mußte man erst einmal durchbrechen, wenn man an Maputo herankommen wollte.
    Über ein Jahrhundert lang hatten die Seringueiros den Regenwald Amazoniens durchstreift, die Gummibäume angeritzt und in darunterhängenden Blechdosen den wertvollen Saft aufgefangen. Der Wald hatte darunter nicht gelitten, er blieb in seiner ganzen majestätischen Größe unversehrt. Die Einschnitte in ihre Rinde zerstörten nicht die Bäume, sie bluteten zwar, denn der Kautschuksaft war ja ihr Blut, aber sie überstanden die kleinen Wunden und verdorrten nicht. Fast 100.000 Seringueiros lebten und ernährten sich vom Regenwald Amazoniens, auch als der Kautschukboom verebbte, als man Gummi synthetisch herstellen konnte. So sank Manaus, die Hauptstadt der Gummibarone, wieder zurück in eine langsam verrottende Urwaldstadt. Das berühmte Opernhaus, in dem die besten und teuersten Sänger ihrer Zeit gesungen hatten und die Reichen in ihrem Glanz durch die Marmorfoyers wandelten, war zu einem Symbol unvorstellbaren Wohlstandes geworden. Noch heute zeigen die verlassenen und verfallenen Villen der Superreichen einen kleinen Teil des Rausches, der damals Amazonien überflutet hatte.
    Aber das Gummizapfen hatte nach der anfänglichen Lähmung durch die neue Technologie nie aufgehört. Kautschuk war trotz des synthetischen Gummis noch immer ein begehrter Rohstoff für Spezialpräparate, die auf den natürlichen Gummi nicht verzichten konnten. Die Weltmarktpreise sanken zwar ins Bodenlose, völlig uninteressant für das Großkapital, aber die angeritzten Bäume ernährten noch immer die Menschen, die von dem klebrigen Saft lebten.
    Mit den Indios kamen sie gut aus, was nicht immer so gewesen war. Während des großen Gummibooms war das Zapfen noch ein Abenteuer. Oft war es zu Zusammenstößen mit den Indianern gekommen, wenn die Seringueiros in das Gebiet eines Stammes vorrückten. Ganze Kolonnen wurden überfallen und ihre Schädel zu Schrumpfköpfen verarbeitet, aber es war ein ungleicher Kampf, Pfeile und Speere gegen Gewehre und Pistolen. Die planmäßige Ausrottung der Indios nahm damals ihren Anfang: Fast fünf Millionen nackter Indianer lebten am 6.466 km langen Amazonasstrom, heute sind es nur noch 175.000. Für die Großgrundbesitzer und Fabrikanten, Minenbesitzer und Kleinsiedler 175.000 zuviel.
    Julio Maputo hatte über Jahre hinweg die unaufhaltsame Zerstörung des Regenwaldes verfolgt und damit auch die Vernichtung seiner Existenz als Kautschuksammler. Wie ihm erging es Tausenden von Seringueiros: Der Wald brannte nieder, oder die Motorsägen

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