Das Regenwaldkomplott
hinterließen ein ödes, totes Land. Maputo nahm den Untergang seiner Welt nicht als ein unabwendbares Schicksal hin – er begann zu kämpfen.
Er gründete eine Art Gewerkschaft der Gummizapfer, eine Bewegung, die sich ›Rettet Wald und Mensch‹ nannte, unterstützt von den freiwilligen Beiträgen seiner Freunde, und das waren Tausende, und von Spenden, die aus aller Welt herbeiflossen, als ›Rettet Wald und Mensch‹ in den USA, aber vor allem in Europa bekannt wurde. Fernsehteams reisten an den Amazonas, filmten Maputo und seine Kameraden, fuhren mit ihm zu den riesigen Rodungsgebieten und standen an dem brennenden Regenwald. Sie überflogen die kilometerlangen Rauchwolken und sahen zu, wie die Holzfällerkolonnen die Riesenbäume absägten und die kleineren Bäume und Sträucher, den dichten Dschungel, mit gewaltigen Kettenfahrzeugen einfach niederwalzten. Sie sahen die neuen, in den Wald hineingehauenen Flugpisten, auf denen der Tod eingeflogen wird: Maschinen, Sprengstoff, Motorsägen, Waffen und Alkohol.
Die Verantwortlichen in Manaus und Boa Vista betrachteten die Aktivitäten Maputos mit größtem Mißfallen. Die bisher lautlose ›Urbarmachung‹ hatte zu einem Aufschrei geführt, vor allem in Europa, neben Japan der wichtigste Abnehmer für Edelhölzer, billiges Rindfleisch und Aluminium. Die TV-Berichte, die Interviews, die Maputo gab, die Anfragen einiger europäischer Regierungen und die ›Beobachter‹, die aus Europa und den USA an den Amazonas reisten, hatten den Vorsitzenden des Unternehmerverbandes von Amazonien, Miguel Assis, veranlaßt, sich zum erstenmal öffentlich zu dem Problem Regenwald zu äußern.
Assis erfand eine ›Amazonas-Charta‹, die er als offizielle Erklärung deklarierte. Er schrieb in der Charta, man solle endlich das dumme Gerede von einer drohenden Klimakatastrophe beenden, ›entmystifizieren‹ und den Nutzen für die ganze Welt erkennen. »Es ist eine Lüge westlicher, eifernder Umweltschützer, daß wir am Amazonas ein zerstörtes Land und eine verwüstete Zukunft schaffen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Unsere ganze Arbeitskraft gehört einer glücklicheren Zukunft, bei der Brasilien eine wichtige Rolle spielen wird.«
Sogar das Außenministerium in Brasilia wandte sich mit einer barschen Note an die Bundesrepublik Deutschland, wo man sich Gedanken darüber machte, wie man dem Waldsterben Einhalt gebieten wolle. Immerhin hatte Bonn 100 Millionen Entwicklungshilfe Brasilien angeboten, wenn damit der Regenwald gerettet werden konnte. Die erregte Antwort aus Brasilia: Man verbitte sich jeden bundesdeutschen Vorschlag, an der Erschließung Amazoniens teilhaben zu wollen.
Julio Maputo hörte nicht auf, für den Regenwald und dessen Rettung zu werben. Für die immer ärmer werdenden Seringueiros wurde er eine Art Volksheld, eine Symbolfigur im Kampf gegen den gnadenlosen Kapitalismus. Zum erstenmal in der Geschichte Amazoniens traten nun auch die Indios an die Öffentlichkeit, um auf ihre Ausrottung aufmerksam zu machen. Der Oberhäuptling der Yanomami-Stämme reiste im federgeschmückten Ornat nach Brasilia und erzählte dem Parlament von der Vernichtung der Indianer. Sein Bild, das Bild eines stolzen Mannes, der um sein Volk ringt, ging um die ganze Welt. Und immer wieder Maputo, Maputo, Maputo und sein Hilferuf: ›Rettet Wald und Mensch‹.
Die Großgrundbesitzer ballten die Fäuste und knirschten mit den Zähnen, die Kleinsiedler, die aus den Hunger- und Dürregebieten im Nordosten Brasiliens in die gerodeten Gebiete strömten, wo sie sich ein besseres, sorgloseres Leben erhofften, waren voller Haß auf Maputo. Er wurde ihr Staatsfeind Nummer eins, genauso wie für die Mächtigen Amazoniens, die in Wahrheit das Land regierten: die Geschäftsleute und das Militär, die Politiker und die Fabrikanten. Aber noch hatte man sich gescheut, Maputo mundtot zu machen – sein Name war in der Welt bekannt, seine Popularität war sein bester Schutz. Auch er sprach wie der Yanomami-Häuptling vor dem Parlament. Eisiges Schweigen lag über den Abgeordneten, nur ein einziger klatschte Beifall. Vier Tage später starb dieser bei einem mysteriösen Autounfall – gleich zwei Räder hatten sich von den Achsen gelöst, und der Wagen war gegen eine Mauer geschleudert. Die Polizei legte den ›Unfall‹ schnell zu den Akten und verzichtete darauf, das merkwürdige Räderlösen zu untersuchen.
Maputo saß zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern am Tisch, das Abendessen,
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