Das Regenwaldkomplott
ich ohne dich tun soll, wie ich ohne dich leben soll?«
»Ich … ich …« Bento wischte sich über das Gesicht und kratzte sich dann die Nase. Er begann zu stottern. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, wie Helena über ihr Verhältnis dachte. Es hatte da kaum Fragen oder viele Worte gegeben. Man hatte sich gesehen, man hatte ein paarmal zusammen Bier oder sogar Wein getrunken, und wie es so kommt, man lag plötzlich zusammen auf dem Bett und genoß das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. Und jetzt … jetzt solche Worte. Bento war völlig verunsichert.
»Was ist mit dir?« fragte Helena.
»Ich wußte gar nicht, daß du mich so liebst. Ich …« Die Worte versagten ihm wieder. »Ich habe gedacht, du …«
»Was hast du gedacht?« Sie stemmte die Arme in die Hüften, eine Haltung, die eine Menge Garimpeiros kannten. Sie wurden dann meist rasch still und legten ihr wüstes Gehabe schnell ab. »Da ist eine, die holt sich einen Kerl ins Bett, nur weil er im Camp das Sagen hat?! Bin ich ein Flittchen, he?! Wenn ich einen Mann umarme, dann liebe ich ihn auch!«
»Das hast du nie gesagt.«
»Ist das nötig? Fühlt man das nicht?! Bist du so ein seelenloser Klotz, aus dem ab und zu mal ein Ast wächst?«
»Lena!« Benjamim Bento schnaufte durch die Nase und sah wie ein begossener Pudel aus. »Ich … ich liebe dich doch auch. Ich kann's nur nicht ausdrücken, verstehst du, ich finde die Worte nicht.« Er holte tief Luft. »Lena, was mach ich mit den Plakaten?«
»Häng sie auf. Ich werd' sie als Einwickelpapier verwenden, das ist auch 'ne Verteilung. Ist Julio Maputo nicht dein Gegner, trotz aller Jugendfreundschaft?«
»Er kämpft um den Regenwald, den wir zerstören. Er kämpft für die Indios, die wir vertreiben. Er kämpft um seine Kautschukbäume, die als ›freies Land‹ von der Regierung an die Großgrundbesitzer, an Spekulanten, Holzwerke und Minengesellschaften verkauft werden. Und er kämpft gegen die Goldminen, die neuen Straßen, die neuen Siedlungen entlang der Straßen und an den Rodungen …«
»Dein lieber Freund kämpft also gegen alles.« Helena wedelte mit den Händen, als wolle sie Bento links und rechts ohrfeigen. »Er kämpft gegen dich und mich! Gegen die Garimpeiros, die bei mir kaufen und von denen ich lebe! Er will mich zwingen, daß ich meinen Drugstore zumache. Dagegen soll ich mich nicht wehren? Mimo, ich verteile die Plakate!«
»Du hilfst bei einem Mord mit.«
»Ich bringe keinen um. Wenn wir sie nicht verteilen, tun's andere. Das sind öffentliche Plakate. Man soll die suchen, die sie gedruckt haben.«
Benjamim Bento sah, daß es sinnlos war, mit Helena weiter darüber zu diskutieren. Er gab ihr einen Kuß auf die Stirn, was sie mit einem Knurren beantwortete, und verließ das Hinterzimmer des ›Kaufhauses‹.
Am Abend klebte er die Plakate an die Hauswände von Novo Lapuna, und schon wenig später erschien der erste Glücksritter bei BB und fragte:
»Ist das wahr, Benjamim?«
»Was?« gab Bento harmlos zur Antwort.
»Das mit den 100.000 Dollar Kopfgeld.«
»Wenn's da steht, muß es wahr sein. Willst du dir das Blutgeld verdienen?«
»So viel Geld kann ich im Leben nicht aus der Erde holen oder am Fluß waschen.«
»Da hast du recht.« Bento sah den Garimpeiro forschend an. »Aber du mußt erst einen Menschen umbringen, companheiro .«
»Es sind schon für weniger welche umgebracht worden.«
»Wenn das ein Maßstab ist. Der Mensch ist nichts mehr wert, was?«
»Doch. 100.000 Dollar. Das ist ein guter Preis.« Der Garimpeiro grinste breit. »Du hast die Plakate angeklebt. Woher kommen sie?«
»Weiß ich das? Man hat sie gebracht, ein Kerl auf einem Motorrad.«
»Und die Telefonnummer stimmt?«
»Ruf an und frag selbst.« Benjamim Bento spürte ein Jucken in seinen Fäusten. Beherrsch dich, Junge, redete er sich zu. Schlag ihm nicht die Fresse ein. Es werden noch mehr kommen. 100.000 Dollar können einen armen Menschen blind machen. Wer so ein Termitenleben lebt wie die 50.000 Goldgräber in Novo Lapuna, für die ein Säckchen Goldkörner den Eintritt ins Paradies bedeutet, wer nie die Hoffnung hat, aus diesem Dreck und Schlamm, aus dieser Hölle von Hitze und Wassernebel jemals herauszukommen, für den sind 100.000 Dollar ein Platz im Himmel. Einen Menschen dafür umbringen – na, was soll's. Gibt mir dieser Mensch 200.000 Dollar, damit ich ihn nicht umbringe? Na also! Wenn man sein Glück ergreifen kann, soll man's tun! »Du würdest das tun?« fragte Bento den
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