Das Regenwaldkomplott
Goldgräber.
»Ich überlege, Benjamim.«
»Es wird nicht leicht sein. Er hat eine Leibgarde um sich, Tag und Nacht. Die schießen jeden ab, der in die Nähe seines Hauses kommt und vorher nicht kontrolliert wurde. Und weil die Plakate überall hängen, wirst du 'ne Menge Konkurrenz haben. Stell dir vor, da lungern hundert Pistoleiros herum und warten auf einen günstigen Moment. Ihr müßt euch erst gegenseitig umbringen, denn nur einer bekommt das Kopfgeld! Neunundneunzig Mörder sind zuviel.«
»Das stimmt.« Der Garimpeiro zog die Mundwinkel herunter und dachte nach. »Man muß schneller sein als die anderen.«
»Du willst es also tun?« Bento konnte sich kaum noch beherrschen. Ich erwürge ihn, dachte er. Ich schlag ihm die Schnauze ein. Ich trete ihm in die Eier. Aber was bringt das? Nach diesem Plakat ist Julio Maputo schon tot. Für 100.000 Dollar stehen die Mörder Schlange. Er kann sich nur noch verkriechen, irgendwo im Wald verstecken, ins Ausland flüchten. Und wenn ihn auch eine ganze Kompanie Soldaten bewachen sollte – was nie der Fall wäre, denn der Regierung ist Julio ja auch mehr als unangenehm –, es würde nichts nützen. Man findet immer eine Lücke im Überwachungssystem, vor allem, wenn man bewußt eine solche Lücke offenläßt. Und außerdem, auch ein Soldat ist nur ein Mensch, miserabel bezahlt, und kann sich eine schöne Zukunft schaffen mit einem Sack voll Dollar. Julio, du bist schon tot. Es ist keiner da, der dir noch helfen kann.
»Ich werde erst die Telefonnummer anrufen«, sagte der Garimpeiro. »Und dann sehen wir weiter.«
»Tu das!« Bentos Stimme klang wie erstickt. »Und nun raus! Ich habe was anderes zu tun, als zukünftigen Mördern zuzuhören.«
Der Goldgräber tippte mit dem Zeigefinger grüßend an die Stirn und verließ das Haus, an dem neben der Eingangstür ein schlichtes Messingschild angebracht war: ›Verwaltung‹. Ein harmloser Name für die Tätigkeit, die man Benjamim Bento anvertraut hatte.
Am späten Abend, ja, es war fast schon Nacht, klingelte es an Bentos Tür. Er hatte sich schon ausgezogen, um sich schlafen zu legen. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, die Klimaanlage funktionierte wieder mal nicht, und obgleich es sich nachts merkbar abkühlte, blieb in den Räumen die Hitze hängen und machte die Luft schwer und stickig.
Bento schlang sich ein Handtuch um die Hüften, ging zur Tür und öffnete sie. Draußen stand Helena Batalha und sagte in ihrer einmaligen Art:
»Glotz nicht so, Mimo, laß mich rein.« Sie sah ihn von oben bis unten an und lächelte. »Gut siehst du aus …«
Bento gab die Tür frei, sie betrat die Wohnung und ließ sich in einen der gepolsterten Rattansessel fallen, die Bentos ganzer Stolz waren. Er hatte sie in Boa Vista gekauft und mit purem Gold bezahlt.
»Weißt du, warum ich gekommen bin?« fragte sie.
»Ich kann es mir denken«, antwortete er und grinste.
»Ihr Kerle denkt wohl an nichts anderes. Mimo, das Plakat hat eine ungeheure Wirkung. Im Laufe des Tages waren neun Garimpeiros bei mir im Drugstore und haben offen darüber gesprochen, daß sie in Kürze reich sein werden – und das nicht durch Gold.«
»Das war so sicher, wie ich dich liebe.«
»Ich habe darüber nachgedacht, Mimo.« Helena folgte Bento mit den Blicken, als er zu einem Schrank ging und zwei Gläser herausholte.
»Wein oder Bier?« fragte er.
»Den Rotwein von neulich. Ich habe nachgedacht –«
»Worüber? Willst du mich heiraten?«
»Quatsch! Über Julio Maputo. Er ist doch dein Freund, sagst du. Ein guter Companheiro.«
»Das ist er.«
»Kannst du ihm nicht helfen?«
»Wie?«
»Versteck ihn hier in Novo Lapuna bei dir. Da sucht ihn bestimmt keiner.«
»Du bist verrückt, Lena.« Bento starrte Helena geradezu entsetzt an. »Weißt du, was du da sagst?«
»Ich habe es mir genau überlegt.« Sie hob die Hand und wischte damit eine Antwort Bentos weg. »Wenn du feig bist, dann verstecke ich ihn bei mir. Sicherer geht es nicht. In der ganzen Welt werden sie ihn suchen, nur nicht bei mir.«
»Das kann dich dein Leben kosten, Lena!« Bento entkorkte die Rotweinflasche und füllte die Gläser. Der Wein war so dunkelrot wie Blut. »Du weißt nicht, wer hinter dem Kopfgeld steckt.«
»Du auch nicht.«
»Aber ich ahne es. Und die, die hunderttausend Dollar zahlen, sind die Mächtigsten im Lande. Gegen sie sind wir Kakerlaken, Wanzen sind wir, winzige Sandflöhe! Wenn sie herausbekommen, wo Julio sich versteckt hält, gibt's nur
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