Das Regenwaldkomplott
des Dschungels zu kontrollieren, ein Alibi, mit dem das Ausland beruhigt werden sollte. Wir unternehmen alles, um die Lunge der Erde zu erhalten, wir tun unser möglichstes … kommt herein, ihr Millionen Dollar!
Im Gegensatz zum Leiter der neuen Institution und der Regierung nahm Marco Minho seine Aufgabe ernst und drängte seit drei Monaten darauf, nicht nur Statistiken zu veröffentlichen, sondern mit der wirklichen Arbeit zu beginnen: vor Ort, im Regenwald, mit dem Aufspüren unbekannter Tierarten. Hinauf in die Wipfel der Riesenbäume, wo noch kein Mensch gewesen war und wo in dem breiten Blätter- und Äste-Dach noch Tausende nie gesehener Lebewesen ein geheimnisvolles Dasein führten. Vor einer Woche endlich gab die Regierung grünes Licht für Minho. Er erhielt den Auftrag, neue Tierarten zu katalogisieren, zu beschreiben und Präparate herzustellen.
»Was Sie in Überfülle haben, Marco«, sagte der Chef des Institutes, »ist Zeit. Viel Zeit. Überstürzen Sie nichts, lassen Sie es ruhig angehen. Niemand drängt Sie.«
»Doch.«
»Wer denn?«
»Der Regenwald hat bereits große Wunden. Was bisher schon vernichtet worden ist, ist für immer verloren und unersetzbar. Wir haben nicht viel, sondern verdammt wenig Zeit, wenn die Rodungen mit Sägen und Brand so wie bisher weitergehen.«
»Ja, es ist ein Jammer, Marco.« Der Chef der Forschungsanstalt leistete sich kurz traurige Augen und einen seelenvollen Blick. »Ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg im Urwald – und hängen Sie mir nicht eines Tages als Schrumpfkopf vor einer Indianerhütte. Auch da gibt es noch eine Menge Unbekanntes. Sie werden aus dem 20. Jahrhundert in die Steinzeit zurückversetzt werden. Nochmals, viel Glück, Marco!«
Eine Stunde nach dieser herzlichen Verabschiedung griff der Chef zum Telefon und rief in Manaus an. Er mußte ein wenig warten, aber dann hörte er die sonore Stimme von Senhor Miguel Assis. Es war fast selbstverständlich, daß sich Assis gleich nach der Gründung des Instituts um die leitenden Herren bemüht hatte und nun über alles unterrichtet wurde, was in Recife geschah. So konnte der Chef vor vier Monaten mit dem Bau einer schönen Villa am Stadtrand von Recife beginnen, und der Leiter der Forschungsgruppe I, die sich mit noch unbekannten Bäumen beschäftigte, konnte sich eine teure Geliebte mit einem eigenen Penthouse leisten. Niemand nahm daran Anstoß, und niemand fragte, woher die Gelder kamen. Wer sollte denn auch schon fragen, wenn überall offene Hände in die Luft gestreckt wurden, um die schönen Dollarnoten aufzufangen.
»Er ist vor einer Stunde aufgebrochen«, sagte der Chef des Instituts mit Nachdruck. »Der Mann heißt Marco Minho. Ich habe ihn schon ein paarmal erwähnt, Sie erinnern sich? Er ist Zoologe und einer der Idealisten, denen der Fortschritt in Brasilien gleichgültig ist. Er gehört zu den Regenwaldspinnern. Minho wird übermorgen nach Brasilia fliegen, dort übernachten und dann am nächsten Tag über Manaus nach Boa Vista kommen. Von da ab ist es Ihre Sache, Senhor Assis.«
»Wir werden uns um ihn kümmern.« Assis' Stimme klang kühl und geschäftsmäßig. Es war ja auch ein Geschäft, das er übernommen hatte. »Ich danke Ihnen.«
»Denken Sie an mich, Senhor?«
»Aber gewiß. Sehen Sie sich übermorgen Ihren Kontostand an.«
Der Chef legte auf. Er lehnte sich zufrieden in seinem Sessel zurück, steckte sich eine fast schwarze Zigarre an und sah genüßlich den Rauchringen nach, die er in die Luft blies. Man muß nur wendig sein, dachte er, immer am richtigen Platz zur richtigen Zeit. Dann wird das sonst so trübe Leben ein Fest. Die meisten Menschen verhungern an ihrer Moral.
Nun war also Marco Minho in einer Luxus-Suite in Boa Vista. Er duschte sich ausgiebig, holte aus der Zimmerbar ein hohes Glas, füllte es mit Wodka und Orangensaft und blickte hinaus auf seinen kleinen Privatgarten und den sich drehenden Rasensprenger.
Wie kommt das Institut dazu, mir solch ein Luxusappartement zu bestellen, fragte er sich. Nun ja, die Millionen flossen von allen Seiten herein, die Forschungsanstalt blähte sich immer mehr auf, arbeitete aber zur Zeit nur daran, sich selbst zu verwalten. Schon an die hundert Fachleute waren eingestellt. Sie zeichneten Pläne, fertigten Statistiken an und veröffentlichten Überlegungen, wie der Regenwald gerettet werden konnte bei größtmöglicher Nutzung der unter ihm vorhandenen Bodenschätze. Aber er war wirklich der erste, den man
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