Das Regenwaldkomplott
losschickte, im Wald selbst zu forschen und etwas Greifbares zu tun.
Die Einsatzpläne für die nächste Zeit waren bis ins letzte ausgearbeitet und genehmigt worden. Zunächst sollte Boa Vista die Basis sein. Von hier aus würden die Einsätze erfolgen: Die Suche nach unbekannten Tieren und, mitten in einem noch nie betretenen Regenwaldabschnitt, der Bau einer kleinen Hütte in der Krone eines Baumriesen. Seile, Haken und Ösen würden die Bäume der nächsten Umgebung miteinander verbinden, so daß man sich hoch in der Luft von Baum zu Baum schwingen konnte, ohne erst wieder auf den Boden zu müssen. Sogar einen kleinen zusammenlegbaren Sitz hatte Minho mitgenommen. Mit ihm wollte er sich ähnlich wie bei einer Seilbahn von Wipfel zu Wipfel gleiten lassen und die Tiere beobachten und filmen. So erhielt man eine erste Übersicht, worauf sich die Hochrechnung stützen würde, wieviel unbekanntes Getier im Wald leben konnte. Den ganzen Amazonas-Regenwald zu erforschen war unmöglich. Da hätte man ein Gebiet wie ganz Europa mit Seilen überspannen müssen. Man war sich völlig im klaren, daß man den Regenwald Brasiliens nie gänzlich erforschen konnte. Es blieb nur die Hochrechnung auf der Basis zufälliger Entdeckungen in einem begrenzten Gebiet.
Marco Minho trank ein weiteres Glas Wodka mit Orangensaft, ließ sich ein saftiges Steak mit gemischtem Salat aufs Zimmer bringen und legte sich dann richtig müde und vom Wodka sogar etwas umnebelt ins Bett. Aber noch bevor er einschlief, dachte er bei sich: Ich bin verdammt gespannt darauf, was sie mir als Basis ausgesucht haben. Er hatte ein ganzes Haus beantragt – zum Wohnen, für ein Labor, einen Präparierraum und ein Archiv, ausgestattet mit Telefon und Telefax, um schnell mit Recife verbunden zu sein. Freie Mitarbeiter sollte er sich in Boa Vista suchen. Der Aufbau der Basis würde fast einen Monat dauern, das war ihm klar, darüber gab es keine Diskussionen, aber es hatte mit dem Institut Auseinandersetzungen um den Standort gegeben.
Minho sah nicht ein, daß Boa Vista der richtige Platz war. Dort waren zwar die Behörden, aber er wollte ja nicht Beamte erforschen, sondern den Wald und seine Tiere. Er hatte Surucucu vorgeschlagen, den Vorposten der Goldgräber und Glücksritter, die Werkstatt und das Lager der Rodungskolonnen, wo sich alles, was den Urwald gefährdete, zusammenballte.
Aber der Chef bestand auf Boa Vista.
»Mir ist das zu weit vom Wald entfernt!« hatte Minho argumentiert. Und man hatte ihm geantwortet:
»Es stehen Ihnen immer Flugzeuge zur Verfügung, die Sie hinbringen, wohin Sie auch wollen. Der gesamte Nachschubverkehr für Novo Lapuna zum Beispiel geht allein von Boa Vista aus. In Surucucu sind Sie am Arsch der Welt.«
»Genau da will ich ja hin. Ich habe auf der Karte gesehen, daß es am Rio Parima, unmittelbar bei den Goldgräber-Camps, eine Missionsstation gibt. Santo Antônio. Am liebsten wäre ich dort mit meiner Basis. Auch die Mission hat eine kleine Landepiste.«
»Da müssen wir erst den italienischen Orden fragen, dem die Mission gehört.«
»Das sollten wir tun.«
Es wurde nichts daraus. Der Chef teilte Minho mit, daß Santo Antônio es ablehnte, noch eine Forschungsgruppe aufzunehmen. Eine biologische Station sei schon hier, ein Polizeiposten, ein Hospital im Aufbau – nun sei kein Platz mehr vorhanden.
»Die Mission liegt am Rio Parima«, sagte Minho nachdenklich. Er hatte die Spezialkarten im Kopf.
»Ja. Ein ziemlich langweiliger Fluß. Ungewöhnlich ruhig, kaum Stromschnellen, ringsum nur Dschungel und Wald.«
»Exakt das, was ich brauche. Da bin ich mittendrin im Regenwald.«
»Wir können Sie auch an den Rio Xingu schicken«, antwortete der Chef auffallend friedlich. »Da sind Sie auch mittendrin im Regenwald. Oder am Rio Madeira. Es muß ja nicht gerade Roraima sein.«
»Aber gerade in Roraima wird jetzt der Wald ermordet.«
»Wie das klingt, Marco! Sie sind Wissenschaftler, und nicht einer der überspannten Eiferer und Panik-Ökologen. Ich sage Ihnen: Boa Vista ist der richtige Ort für Ihre zu gründende Station. Alle Behörden werden Ihnen helfen. Sie werden keinerlei Schwierigkeiten haben.« Und keinen Schritt unbeobachtet tun, dachte der Chef dabei mit einem Gefühl der Zufriedenheit.
Minho erwachte ausgeruht am nächsten Morgen, streckte sich in seinem Luxusbett und trat dann hinauf auf die Terrasse. Irgend jemand hatte über Nacht den Rasensprenger abgestellt, die schon heiße Sonne ließ die
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