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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fielen Minho zwei Damen auf, die von einigen Herren umringt waren. Eine wunderschöne Frau mit glänzendem schwarzem Haar, einem roten, tief ausgeschnittenen Kleid und mit Schmuck an den Ohren, am Hals und an den Händen, dessen Wert nicht schätzbar war. Neben ihr lachte eine junge Dame, ganz in Gold gekleidet, mit langen schwarzen Locken und feurigen dunklen Augen. Auch sie trug Schmuck, aber alles verblaßte an ihr angesichts der vollendeten Formen ihres Körpers, die der schmiegsame Stoff deutlich modellierte. Minho hielt den Atem an: Eine so schöne Frau hatte er noch nie gesehen, und gerade Brasilien ist bekannt als ein Land, das die herrlichsten Frauen hervorbringt. Der Anblick dieses Mädchens aber verschlug ihm tatsächlich die Sprache.
    Lobos nickte zu den beiden Schönheiten hin und faßte Minhos Arm. »Jetzt stelle ich Sie zuerst meiner Frau und meiner Tochter vor«, sagte er. »Sie freuen sich auf Ihre Bekanntschaft, ich habe ihnen bereits von Ihnen erzählt.«
    Minho holte tief Luft und folgte dann Lobos in den Saal. Dieser steuerte auf die kleine Gruppe zu. Das sind seine Frau und seine Tochter, hämmerte es in Minhos Kopf. Ein solch qualliger Mensch hat so eine wundervolle Frau und eine noch schönere Tochter! Die Natur hat wirklich merkwürdige Launen. Und dann stand er vor diesen Frauen, küßte ihnen die Hand und hörte, daß sie sich freuten, ihn kennenzulernen. Es war keine Floskel, es schien ihnen ehrlich zu sein.
    So begegnete Marco Minho zum erstenmal Sofia Lobos und ihrer Mutter Dona Joana.
    Beim Abendessen saß er neben Sofia, nachdem man ihn in der Gesellschaft herumgereicht hatte. Auch Miguel Assis war aus Manaus gekommen, drückte Minho die Hand und sagte später zu Lobos:
    »Ein kluger, gutaussehender Bursche mit Manieren, dem ein größerer Verdienst zusteht als das Gehalt eines staatlichen Zoologen. Ich kann mir nicht denken, daß er leere Hände bevorzugt. Er hat seinen Stolz, also werden wir ihm unter die Arme greifen durch Spenden. Irgendwie bekommen wir ihn in unsere Tasche.«
    Nach dem Essen wurde getanzt. Es war selbstverständlich, daß Minho zuerst mit der Hausherrin, Dona Joana, tanzte. Sie begannen mit einem Walzer. Der zweite Tanz, ein Slowfox, gehörte Senhorita Sofia. Sie lag in seinen Armen wie eine Feder. Er wagte kaum, sie zu berühren.
    »Papa sagt, Sie sind ein Zoologe«, sagte sie. Ihre Stimme hatte etwas Singendes, einen Klang wie bei einer Harfe. »Ich weiß natürlich, was ein Zoologe ist, aber Sie sehen nicht so aus wie ein Zoologe.«
    »Wie muß ein Zoologe aussehen, Senhorita?«
    »Ich weiß nicht.« Ihr perlendes Lachen drang in ihn ein, es war ein betäubendes Gefühl. »Eben anders.«
    Sie tanzten noch fünfmal miteinander; dazwischen wurde er immer von den Herren des ›Rates‹ beschlagnahmt, die wissen wollten, wie er sich seine Aufgabe im Regenwald vorstellte, was er an sensationellen Entdeckungen erwarte und wie er sie auswerten würde. So lernte Minho auch Senhor Assis kennen. Zu ihm sagte er auf eine leicht hingeworfene Frage:
    »Mit jedem Hektar gerodeten Walds verlieren wir Tiere und Pflanzen, die noch kein menschliches Wesen gesehen hat.«
    »Das mag sein, Senhor Minho«, antwortete Assis in seiner trockenen Art. »Aber ist das ein Verlust? Wenn wir sie bisher nicht gekannt haben, ist es doch kein Verlust, wenn wir sie nie kennenlernen. Es gab sie bis jetzt nicht, also waren sie für uns nie vorhanden. Wir verlieren also nichts.«
    »Irgendwo ist das logisch«, pflichtete Lobos ihm bei. »Man sagt ja auch: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.«
    »Ich sehe das anders, meine Herren. Eine verborgene Welt entdecken, neue Erkenntnisse sammeln – das bereichert die ganze Welt.«
    »Natürlich müssen Sie als Zoologe anders denken.« Assis nahm von einem Diener einen Cocktail vom Silbertablett und nippte daran. »Glauben Sie im Ernst, die Welt – sagen wir Kamerun oder Somalia oder Bangladesch – fühlen sich reicher, weil eintausend neue Käferarten entdeckt wurden? Die haben mit ihren Heuschreckenschwärmen schon genug zu tun. Wem nutzt es etwas, wenn Sie zweitausend neue Schmetterlinge katalogisieren?«
    »Der Wissenschaft, Senhor Assis.«
    »Und die Wissenschaft ernährt die 28 Millionen Kleinbauern in Brasilien, die gerade soviel ernten, daß sie nicht verhungern? Und die Wissenschaft bezahlt die 117 Milliarden Dollar Auslandsschulden, die wir haben? Rettet den Wald, aber laßt die Menschen krepieren! Ein unbekanntes Käferlein ist mehr

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