Das Regenwaldkomplott
Netz dieser schönen Spinne zappelt, wird sein Regenwaldidealismus wie Rauch in ihren zärtlichen Umarmungen aufgehen. Marco Minho ist keine Gefahr mehr für uns. Er wird nie ein zweiter Maputo werden. Nie!
Erst gegen Morgen brachte man Minho zurück ins Hotel. Er war leicht angetrunken, sehr fröhlich, fiel in sein Bett und schlief schnell ein.
Und er träumte von einer wunderschönen Spinne, die er mit einer Pinzette aus ihrem Netz zog und die sich plötzlich, wie im Märchen, verwandelte und zu einem noch schöneren Mädchen wurde … zu Sofia Lobos mit den Goldpunkten in den Augen.
* * *
Ein Monat ist eine relativ kurze Zeit. Ein Monat kann flüchtig wie ein Windstoß sein, der einem die Haare durcheinanderbringt, und bevor man sie sich wieder geordnet hat, ist er schon vorüber. In einem Monat aber können auch tausenderlei Dinge geschehen, können Staaten entstehen oder vergehen, können Diktatoren und Heilige die Welt verändern, kann die Menschheit vor eine neue Aufgabe gestellt werden.
So Großes geschah nicht am Amazonas, am Rio Parima oder in Boa Vista und Manaus. Eigentlich geschah gar nichts, wenn man davon absah, daß wieder unwiederbringbare Quadratkilometer Regenwald abgeholzt oder verbrannt wurden. Luise Herrmann entdeckte mit fünf Yanomami, die sie führten, neun unbekannte Pflanzen, die von den Indios als Heilpflanzen verwendet wurden. Dr. Thomas Binder aus Boa Vista erhielt seine Kisten mit dem Hospitalmaterial und operierte erfolgreich den Yanomami. Julio Maputo lebte noch immer. Marco Minho hatte seine Forschungsstelle eingerichtet, und Sofia Lobos kam so oft wie möglich nach Boa Vista, um in seinen Armen zu liegen und glücklich zu sein. Seine Zweifel waren verschwunden.
Es geschah also nichts in diesem Monat, und doch sehr viel. Die Totenfeier der Yanomami hatten Thomas und Luise nicht gesehen. Einer der Pata war vorher auf der Mission erschienen und hatte die Einladung des Shaboliwa widerrufen. »Es hat mich schon gewundert, daß der Medizinmann dich so schnell sehen wollte. Und dann bei einer Totenfeier. Ich nehme an, daß er erst abwartet, wie die Operation ausgeht. Überlebt der Kranke, hast du dir eine Eintrittskarte in den Stamm erworben«, hatte Pater Ernesto dazu gesagt. Thomas und die beiden Patres waren in diesem Monat Freunde geworden.
Minho war nun bereit, seine erste Expedition in den Regenwald zu unternehmen. Er hatte einen Assistenten eingestellt, ebenden jungen Zoologen, den Miguel Assis ihm empfohlen hatte, er hieß André do Rego, ein höflicher Mensch, der sich für Minho unentbehrlich machte, indem er alles organisierte, was sonst nicht möglich war. Nur wußte Minho nicht, daß hinter allem Miguel Assis stand. Schmerzlos und unbemerkt stak der Dorn in Minhos Körper. Was auch immer geschah, Assis würde es wissen.
An einem Sonntag, ganz in der Frühe, startete ein kleines Flugzeug mit Minho, do Rego und der ganzen Ausrüstung zum Flug nach Santo Antônio am Rio Parima. Bewußt hatte Minho diese Region gewählt, wegen der Goldgräber und der Brandrodungen und wegen des Planes, dort ein riesiges Holzwerk zu errichten. Er wollte nachweisen, daß alle diese Pläne ein Mord an dem Regenwald, eine Vernichtung millionenfachen Lebens waren.
»Laß ihn ungehindert ziehen!« sagte Assis, als Lobos erregt von Minhos Absichten berichtete. »Er wird sich lahm laufen. Er muß ja für sein Geld etwas tun. Glaube mir, er wäre lieber in Boa Vista geblieben.« Bei deiner Tochter, Paulo, du Blinder, dachte er dabei.
Es war wirklich ein langer Abschied gewesen. Bis zum Morgen lag Minho in Sofias zärtlichen Armen und fuhr mit der Taxe von ihrem Bett direkt zum Flugplatz. Der Pilot, er hieß Gilberto Quadros, ein stämmiger Kerl von neunundzwanzig Jahren mit einem wilden schwarzen Bart, empfing Minho mit der Bemerkung:
»Ich habe einen Luftfloh, aber keine Transall. Für das, was Sie mitnehmen, brauchen Sie ein Transportflugzeug. Senhor, wir sind völlig überladen. Mal sehen, ob ich die Kiste überhaupt hochkriege!«
»Wie ich gehört habe, habt ihr schon ganz andere Lasten zu den Garimpeiros geflogen.«
»Und immer hatte ich ein verdammt ungutes Gefühl dabei.«
»Dann sind Sie ja daran gewöhnt.« Minho lachte trocken auf. »Warum sollte gerade heute etwas passieren?«
»Jawohl, warum heute? Einmal ist immer das erstemal. Gestern sind drei Maschinen abgeschmiert, hintereinander, als habe eine Riesenhand sie heruntergeholt. Und alle waren überladen. Es hat vierundzwanzig
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