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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wir den wildesten Indianern imponieren, wenn sie uns leben lassen. Ein weißer Mensch, der Feuer aus seiner Hand zaubert – uns wird keiner mehr anrühren. Und wenn Sie mit Ihrer feurigen Hand dann auch noch einen Holzstoß anzünden, werden sie uns zu Füßen fallen. Ihr Feuerzeug kann unser Lebensretter sein.«
    Minho war ein Wort haftengeblieben, das ihn im Moment beschäftigte.
    »Gilberto«, fragte er, »kann man Ameisenbären essen?«
    »Ich weiß nicht, aber Fleisch ist Fleisch. Man ißt ja auch Schlangen, und die sind eine Delikatesse. So ein Bärchen schmeckt bestimmt.«
    »Ohne Salz?«
    »Es gibt hier im Wald Pfeffersträucher, ich kenne sie. Das genügt. Ein Fluggast, das ist schon Jahre her, hat mir mal erzählt, was die Chinesen so alles essen. Er hat sie danach gefragt, und sie haben geantwortet: ›Alles, was mit dem Rücken zum Himmel läuft.‹ Das heißt – wirklich alles kann man essen. Oder kennen Sie ein Tier, das mit dem Bauch nach oben läuft?«
    »Nein.« Minho mußte lachen. »Verhungern werden wir also nicht und auch nicht verdursten. Gilberto, wir schaffen es bis zum nächsten Indiostamm oder einer neuen Siedlung.«
    »Und wo schlafen wir?«
    »Hier, zwischen den Brettwurzeln.«
    »Denken Sie! Am Morgen haben uns die Termiten aufgefressen. Wir werden ein einziger, großer Ameisenhaufen sein. Wir müssen auf der untersten Etage eines Baumes schlafen, zwischen den Ästen. Sie dürfen nur nicht träumen und unruhig liegen …«
    Minho blickte auf seine Uhr. »Es ist jetzt elf Uhr morgens. Gilberto, wir marschieren noch ein Stück. Was liegt näher: Surucucu oder Santo Antônio?«
    »Der Rio Parima.« Gilberto hängte sich alles um den Hals, was er mitschleppen mußte. »Treffen wir wirklich auf friedliche Indios, dann bekommen wir auch ein Kanu von ihnen und paddeln nach Santo Antônio.«
    Der Boden des Regenwaldes war weniger dschungelähnlich verfilzt, als Minho angenommen hatte. Hier unten, unter dem fast geschlossenen grünen Blätterhimmel, herrschte eine ewige Dämmerung, die nur wenigen Pflanzen einen Lebensraum bot. Um noch ein wenig Sonnenlicht zu erobern, klammerten sich Farne und Lianen an allem fest, was aufrecht stand. Abgestorbene und umgefallene Bäume lagen kreuz und quer herum, überzogen mit glitschigem Schimmel, der das Holz aussaugte und zerfallen ließ. Dieser Schimmel war eines der großen Probleme, vor allem der Indianer. Ihre Körperbemalung mit Pflanzen- oder Wurzelsäften, auch Ausdruck von Schönheit und Freude, diente gleichzeitig als Hautschutz vor dem Schimmel.
    Minho und Gilberto schlugen sich mit den Macheten einen schmalen Pfad durchs Gestrüpp der Farne und Lianen. Alle zehn Meter hieb Gilberto eine breite Kerbe in einen Baumstamm: die Markierung für den Rückweg zu seinem Flugzeug und der Ausrüstung der Expedition.
    Ab und zu trafen sie auf eine kleine Lichtung und sahen dann hinauf zu den riesigen schlanken Cavanillesia-Bäumen, deren rote Blüten in der Sonne leuchteten. Auch Kakao-Bäume wuchsen hier und große Nesselgewächse, deren Äste man vorsichtig abschlagen mußte, um nicht mit ihnen in Berührung zu kommen.
    Nach einigen hundert Metern blieb Gilberto wieder stehen und hieb wütend einen Farn um. »Wir haben doch etwas ganz Wichtiges vergessen«, sagte er.
    »Was denn?«
    »Einen Sanitätskasten. Beim Anblick des Nesselbaumes fiel mir das ein. Sie hatten doch eine Reiseapotheke bei sich?«
    »Nein.«
    »Ja, sind Sie denn verrückt, Senhor?! Sie gehen in den Urwald ohne einen Sanitätskasten?!«
    »Ich hatte vor, in der Mission meine Station aufzubauen, und dort gibt es nach neuesten Auskünften einen Arzt, eine Schwester, einen Krankenpfleger und einen heilkundigen Pater. Ich hätte also immer Hilfe gehabt, wenn mir was im Wald passiert.«
    »Aber ich hatte einen Kasten an Bord! Senhor, wenn wir auf eine Schlange treten, und einer von uns wird gebissen – was dann?«
    »Dann preßt der Gebissene die Zähne zusammen, und der andere schneidet in den Giftbiß und läßt ihn ausbluten. Nach guter alter Art.«
    Zweimal rasteten sie bis zum Abend, der für sie hier unten schnell hereinbrach, denn wenn oben über den Baumkronen noch Dämmerung war, breitete sich auf dem Boden schon tiefe Nacht aus. Gilberto sammelte trockenes Holz, das genug vorhanden war, häufte es auf, und Minho steckte es mit dem Feuerzeug an. Den Bewohnern des Regenwaldes schien das nicht zu passen. Ein wildes Gekreisch von allen Seiten und aus der Höhe begleitete die

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