Das Regenwaldkomplott
werden! Ist das unser schönes Brasilien, ist das unsere heilige Heimat?! Ich gehe morgen zurück in meinen Wald und werde weiter um ihn kämpfen. Auch nach meinem Tod! Mein Tod wird ein Aufruf an die ganze Welt werden!«
Als er vom Rednerpult herunterging, erhielt er nur mageren Beifall. Die Zeitungsreporter und Fernsehleute aber freuten sich: Sie konnten mit einer neuen Sensation aufwarten.
Schon eine Stunde später erfuhr Miguel Assis von Maputos flammender Rede vor dem Parlament.
»Es wird wirklich Zeit, ihm den Mund zu stopfen!« sagte er. »Er bewirft Brasiliens Ehre mit Dreck. Er hetzt die Welt gegen uns auf. Dieser Maputo muß weg, ganz einfach weg. Warum lebt er noch? Bei 100.000 Dollar Prämie?!«
»Es hat eine Menge Anrufe gegeben«, berichtete der Sekretär des ›Rates‹. »Alle wollten wissen, ob das mit dem Kopfgeld stimmt. Aber bisher –« Er zuckte mit den Schultern. »Bisher hat noch niemand versucht, Maputo zu töten. Wir können nur abwarten, Senhor Assis. Aber es wird einmal geschehen, das wissen wir alle – nur wann?«
»Wir können nicht warten!« Assis wanderte in seiner großen Bibliothek auf und ab, die Hände auf dem Rücken. »Wenn 100.000 Dollar die Feigheit nicht bezwingen können, dann müssen wir es allein tun!«
»Sie, Senhor Assis?«
»Ich erinnere mich noch gut daran, daß ein Freund von uns zwei tapfere Söhne hatte, die einen Viehtreiber und dessen Sohn erschossen, weil er meinte, gegen die Landnahme protestieren zu müssen. Mit sechzehn Schüssen richteten sie den Treiber hin, der Sohn bekam sechs Schüsse ab. Sogar sein Pferd wurde erschossen. Ein Jahr später legten sich die Brüder mit einer Clique von Aufrührern an – drei Tote blieben zurück. Und 1977 erschossen sie eine ganze Seringueiro-Familie, die eine Brandrodung ihres Gebietes verhindern wollte. Das waren noch Männer! Seit 1980 sind in Brasilien über tausend Tote gezählt worden, die im Krieg um die Landverteilung auf der falschen Seite standen.« Assis holte tief Luft. »Und da soll es nicht möglich sein, einen einzelnen Menschen wie Maputo aus dem Weg zu räumen? Gibt es keine Söhne mehr, die für ihren Vater kämpfen? Ich wüßte einige, und ich werde mit ihnen sprechen.«
Julio Maputo kehrte nach diesem Auftritt in Brasilia in seine Siedlung bei Surucucu zurück. Er ahnte, daß diese Rede vor dem Parlament sein letzter großer Auftritt war, der jetzt den oder die Mörder zur Eile treiben würde.
Das Dorf wurde abgeriegelt, Tag und Nacht war Julios Haus überwacht worden. Und nun war ein Monat vergangen, ohne daß etwas geschehen war. Der Versuch, Maputos Frau Catarina und die Kinder Marco und Madalena wegzubringen, in eine Stadt im Ausland, wo sie sicher waren, mißlang.
»Ich gehe nicht von dir fort«, sagte Catarina und umarmte ihren Mann. »Wir gehören zusammen, Julio, auf Leben und Tod. Wir alle, auch Marco und Madalena, wir leben durch dich, und wir sterben mit dir. Sag kein Wort mehr, mein Mann. Wo du bist, da sind auch wir.«
Maputo wunderte sich selbst darüber, daß der Mörder sich so viel Zeit ließ. Er hatte dem Innenminister eine Liste überreicht, auf dem die Namen der möglichen Auftraggeber standen, so, wie sie Maputo vermutete. Auch der Name Assis fehlte nicht, sogar Lobos stand darauf und eine Reihe von Großgrundbesitzern, Konzernchefs und Fabrikanten. Der Innenminister hatte bei der Lektüre der Liste starre Augen bekommen und später, nachdem Maputo gegangen war, gesagt:
»Der Mann ist ein Irrer! Er hat einen Verfolgungswahn! Diese Namen, die Spitzen unserer Gesellschaft – das ist mehr als absurd. Das ist eine Frechheit! Wir werden diese Liste sofort wegschließen, damit sie kein anderer liest.«
Um aber vor der Öffentlichkeit zu beweisen, daß der Staat seine Fürsorgepflicht ernst nimmt und einen Volkshelden wie Maputo sehr wohl zu schützen imstande ist, und auch um die Herren in den Maßanzügen zu warnen, erging der Befehl, Maputo vom Militär bewachen zu lassen. Das war ein geschickter Schachzug, denn bewachen hieß, ihn nicht aus den Augen zu lassen, jeden Schritt zu kontrollieren, über alle Pläne rechtzeitig Bescheid zu wissen: Seine Abschirmung vor den Mördern und gleichzeitig eine Überwachung seiner Tätigkeiten. Und da die Verbindungen zwischen den Staatsbeamten und den Großgrundbesitzern aus Dollars bestanden, würde auch Miguel Assis alles erfahren, was im inneren Kreis um Maputo geschah.
Der alte Caetano war der nächste, der die beiden
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