Das Regenwaldkomplott
beiden mit ihrem Jeep ankamen, wurden sie bereits weit vor den Häusern von bewaffneten Gummisuchern angehalten. Ein großer, kräftiger Kerl mit Namen Vasco Torga war der Anführer. Er hatte eine Maschinenpistole in die Hüfte gestemmt und blickte die beiden Soldaten böse und mißtrauisch an.
»Wohin, amigos ?« fragte er. Aber es war mehr ein Befehl: Antwort!
»In euer Dorf.« Die Soldaten schielten zu den anderen Männern hinüber. Alle hatten ihre Waffen, meist Gewehre, schußbereit in den Händen. »Wir haben einen Auftrag.«
»Und wie lautet der?«
»Wir sollen Julio Maputo bewachen – wegen des Plakats.«
»Dazu brauchen wir kein Militär!« bellte Vasco Torga. »Das können wir allein.«
»Wir haben unseren Befehl. Companheiros, macht keinen Ärger. Ihr wißt doch, in welcher Gefahr Maputo ist. Wenn wir bei ihm sind, kann ihm nichts passieren.«
»Und wenn ihr euch selbst 100.000 Dollar verdienen wollt?«
»Sehen wir so aus?«
»Wie muß ein Mörder aussehen, ha?« schrie Vasco. »Woran erkennt man ihn? Da kann so ein Milchgesicht kommen, zieht plötzlich eine Pistole und feuert los.«
»So dumm ist ein Mörder nicht. Ihr würdet ihn in Stücke reißen.«
»Mehr als das!«
»Wer 100.000 Dollar bekommen hat, will sie auch ausgeben. Er wird also besonders raffiniert vorgehen. Seht, darum sind wir jetzt hier. An uns kommt keiner vorbei. Mit dem Militär will sich niemand anlegen. Also, amigos , laßt uns durch zu Julio!«
Vasco zögerte. Was der Militärpolizist sagte, klang gut. Und außerdem: Die Militärpolizei war die gefürchtetste Truppe, bestens ausgebildet, harte Kerle, die kaum etwas erschüttern konnte. Sie waren wirklich ein guter Schutz für Maputo.
Vasco nickte und senkte seine MP. »Das blaue Haus am Waldrand«, sagte er. »Ihr könnt es nicht verfehlen: Immer stehen fünf von uns herum und bewachen es.«
»Das wird ab jetzt nicht mehr nötig sein.« Der Soldat lachte und winkte den Seringueiros zu. »Jetzt sind wir da.«
Der Motor des Jeeps brummte auf, und die beiden Soldaten fuhren in die Siedlung.
Maputo hatte sich während des vergangenen Monats die Aufregung zunutze gemacht, die das Plakat in ganz Brasilien und vor allem im Ausland ausgelöst hatte. Er war nach Brasilia gefahren und hatte dem Parlament den Mordaufruf vorgelegt, ja, er hatte sogar zehn Minuten lang sprechen dürfen, eine Ehre, die noch keinem einfachen Brasilianer gewährt worden war, nur wichtigen Ministern des Auslandes und der UNO.
»Wo sind wir hingekommen!« hatte Maputo gerufen. »Soll Brasilien vor den Augen der Welt ein Land ohne Gesetze sein? Ein Land, in dem man unbequeme Menschen einfach tötet und die Mörder reich macht?! Hat man keine anderen Argumente als eine Kugel? Ich sage Ihnen: Wenn man mich tötet, werde ich in Millionen Herzen weiterleben. Die Welt wird mit Entsetzen auf Brasilien blicken, denn es ist kein heimlicher Mord. Sie alle wissen davon, und ich behaupte, daß einige von Ihnen sogar den Auftraggeber kennen. Ich bin nur ein einfacher Seringueiro wie mein Vater, mein Großvater, und wir haben vom Wald gelebt. Wir haben Kautschuk gezapft und Paranüsse gesammelt, wir haben im Jahr tausend Dollar verdient, und davon konnten wir gut leben, denn der Wald und der Boden gaben uns alles, was wir brauchten. Ja, wir verdienten fast doppelt soviel wie eine Bauernfamilie im Amazonas oder eine Viehzüchterfamilie auf den großen Gütern der hohen Herren. Aber jetzt rodet und brennt man unseren Wald nieder, über 100.000 Quadratkilometer im Jahr, und man sagt, das sei ökologisch wichtig. Was ist Ökologie? Wer von uns hatte dieses Wort jemals gehört? Aber nun hörten wir es, und wir sind Ökologen geworden, ohne das Wort auch nur zu kennen. Man vernichtet uns und die Indianer. Aber das ist keine Lösung! Ich kann Ihnen Zahlen nennen, zufällig aus einer langen Liste herausgenommen: Der Banco Real verkaufte man 200.000 Hektar Regenwald zur Rodung, die Grupo Bradesco bekam 300.000 Hektar. In diesen Wäldern lebten die Kaxinauá-Indianer – sie wurden mit den brutalsten Methoden vertrieben. Und was sagte die FUNAI dazu, die zum Schutze der Indianer gegründet worden war? Sie bestätigte amtlich, in diesem Gebiet gebe es keine Indianer, es sei unbewohntes Land! Und was geschah darauf? Die Companhia Novo Oeste vernichtete den Wald mit Motorsägen, Bulldozern und Feuern. Das ist die Wahrheit, die niemand hören will. Und der, der diese Wahrheit sagt, soll für 100.000 Dollar Kopfgeld getötet
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