Das Regenwaldkomplott
Militärpolizisten vor Maputos Haus aufhielt. Er war an diesem Tag der Kommandierende der Wache. So stellte er sich mit vier anderen Seringueiros dem Jeep in den Weg. Mit einem Knirschen bremste der Wagen. Der Soldat am Steuer winkte ab.
»Ist alles klar, amigos . Wir haben uns schon bei Vasco ausgewiesen. Sonderkommando zum Schutz für Julio.«
»Davon hat man uns nichts gesagt.« Caetano sah die Soldaten mißtrauisch an. »Woher kommt ihr?«
»Aus Manaus.«
»Was hat Amazonas damit zu tun? Wir sind hier in Roraima.«
»Wir sind von der Regierung eingesetzt worden. Coronel Dinis hat uns ausgesucht. Das ist eine große Ehre für uns. Das blaue Haus da, ist das Julios Haus?«
»Ja.« Caetano war mit den Antworten noch nicht zufrieden. Es gab so viel Hinterhältigkeit auf der Welt, so viele Lügen, so viel Verrat. Wem konnte man noch trauen? »Wo wollt ihr wohnen?«
»Wir dachten, bei Maputo.«
»Das ist nicht möglich. Das Haus reicht gerade für ihn und seine Familie. Habt ihr kein Zelt bei euch?«
»Nein.«
»Dann leihen wir euch eines. Ihr könnt es im Garten aufschlagen.«
»Im Garten! Wir haben den Befehl, Julio nie aus den Augen zu lassen. Wir sind jetzt für seine Sicherheit verantwortlich.« Die Militärpolizisten stiegen aus ihrem Jeep und hängten sich die MPs um die Schulter. Sie waren so muskulös, daß ihre gefleckten Tarnuniformen fast zu platzen schienen.
Bevor der alte Caetano noch etwas sagen konnte, öffnete sich die Haustür, und Maputo trat ins Freie. Die Soldaten nahmen stramme Haltung an, die Hacken ihrer Stiefel knallten aneinander. Maputo ging langsam auf sie zu. Da kommen 100.000 Dollar, dachte einer der Soldaten. An Julios Stelle würde ich keinen Schritt mehr vors Haus setzen. Er ist wirklich mutig. Will er ein Märtyrer werden? Was bringt ihm das? Leben zu können ist schöner. Warum gibt es immer wieder solche Fanatiker?
»Senhor Maputo«, meldete der Soldat, der den Jeep gefahren hatte und anscheinend das Wort führte, »wir sind abkommandiert, Sie zu beschützen.«
»So etwas gibt es?« antwortete Maputo ein wenig spöttisch. Er gab dem Soldaten die Hand und schüttelte sie. »Man macht sich wirklich Sorgen um mich?«
»Coronel Dinis, unser Kommandeur, ist ein Freund von Ihnen.«
»Das ist mir neu. Ich kenne den Coronel nur aus der Ferne. Nein, einmal habe ich mit ihm sogar gesprochen. Wieso ist er mein Freund?«
»Er bewundert Ihren Kampf um den Regenwald. Wir alle bewundern Sie. Sie haben den Mut, gegen die Großgrundbesitzer und Spekulanten vorzugehen. Wer wagt das schon – außer der Kirche? Die Kirche steht auf Ihrer Seite, das wissen Sie, aber die Kirche kann nur mit Worten kämpfen, mit Predigten und Protesten. Sie aber haben das Volk hinter sich.«
»Schön wäre das. Aber Millionen hungernder Nordestinos warten auf ihre Umsiedlung, warten darauf, daß der Regenwald zu Weideland gemacht wird. Ich habe also Millionen Feinde!«
Der Soldat hob die Schultern, als wolle er damit ausdrücken: Ich kann's nicht ändern. »Es ist nicht an uns, darüber nachzudenken, wir haben nur den Befehl, Sie zu beschützen.«
»Dann kommt ins Haus«, sagte Maputo freundlich. »Catarina wird euch einen guten Kaffee kochen, und Brot und Schinken liegen auch bereit.« Und dann stellte er die gleiche Frage wie Caetano: »Wo wollt ihr wohnen?«
»In einem Zelt hinter Ihrem Haus«, antwortete der Soldat ohne Zögern. »Aber nur nachts. Am Tag sind wir immer bei Ihnen.«
Als Maputo mit den beiden Soldaten im Haus verschwunden war, kratzte sich der alte Caetano den Kopf. »Mir gefällt das gar nicht«, meinte er zu den anderen Seringueiros. »Man will uns abschieben, wir sollen nicht mehr auf Julio aufpassen, das macht jetzt das Militär. Aber da irren sie sich! Wir bleiben weiter auf Wache. Jetzt erst recht!«
Am Abend bauten die Soldaten das geliehene Zelt im Garten auf, gleich neben einem Anbau des Hauses, in dem sich außer einer Zimmererwerkstatt auch eine Dusche befand. Maputo benutzte sie viel und gern, weil sie größer war als die kleine Kabine im Haus. Unter dieser Dusche konnte er sich nach Herzenslust strecken. Er blieb oft eine halbe Stunde unter dem Wasser, und manchmal nahm er auch Marco, seinen Sohn, mit. Dann spielten und rangen beide miteinander unter den trommelnden Wasserstrahlen. Ihr Jauchzen und Geschrei hörte Catarina bis in die Küche.
Die Wache der Seringueiros patrouillierte weiter um das Haus, die ganze Nacht hindurch. Alle zwei Stunden lösten sie sich ab.
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