Das Regenwaldkomplott
sensationellen Überraschung werden.«
»Du lieber Himmel, sind Sie eine kluge Frau. Es wird ein Erlebnis sein, Sie auf die Expedition zu begleiten.«
Eine halbe Stunde später, als Thomas aufwachte, war das Bett neben ihm leer. Er sprang mit einem Satz hinaus, blickte auf die Uhr und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Er zog die Shorts, die auf einem Stuhl lagen, an und rannte hinüber in das Labor.
Leer.
Pater Ernesto, Pater Vincence, Schwester Lucia und Luigi, der Krankenpfleger, sahen ihn verblüfft an, als er in das Speisezimmer der Mission stürzte. Sie tranken gerade ihren Morgenkaffee.
»Wo ist Luise?« rief er erregt. »Wer hat sie gesehen?!«
»Ich.« Luigi hob wie in der Schule seinen Zeigefinger. »Sie ist in aller Frühe mit den fünf Yanomami abmarschiert.«
»Und wer noch?«
»Senhor Beja. Ich habe ihn zuerst nicht erkannt, er trug eine Polizeiuniform.«
Thomas drehte sich um und rannte wieder hinaus. Draußen, auf dem Platz, schloß er einen Moment die Augen.
Sie hat mir versprochen, ihn nicht mitzunehmen. Sie hat versprochen, daß – Unsinn! Er atmete tief durch und starrte über den Fluß auf die hohe grüne Mauer des Regenwaldes. Sie hat nichts versprochen. Sie hat gelacht, nannte mich eifersüchtig. Und dann hat sie mich geliebt, wie nur sie lieben kann. Sie hat mir nichts versprochen, das ist es. Ich habe mich überwältigen lassen von ihrer Leidenschaft.
Er ging zum Fluß hinunter, setzte sich auf den Rand des ans Ufer gezogenen Aluminiumbootes und blickte hinüber zum Regenwald. Flußabwärts sah er vier Kanus der Yanomami. Acht Indios hatten sich in Ufernähe kreisförmig aufgestellt; sie warfen aus Palmfasern und Lianen dicht geknüpfte Schleppnetze aus und wühlten dann mit langen Bambusstangen das Wasser auf, um die Fische, die in Schwärmen über dem Flußgrund standen, aufzuschrecken. Drei Yanomami hatten Bündel einer bestimmten Lianenart in den Händen und schlugen mit ihnen so lange auf das Wasser, bis es sich durch den austretenden Saft blau färbte. Er enthielt ein mildes Gift, das aber ausreichte, um die Fische zu betäuben. Man brauchte dann nur die Schleppnetze einzuziehen und die an die Oberfläche gekommenen betäubten Fische in großen Körben einzusammeln. Ein einträglicher Fischfang, fast mühelos bis auf das Schlagen der Lianen auf der Wasserfläche, eine Arbeit, die nur ein Mann tun durfte. Jagen und Fischen waren Männersache, die Frauen hatten das Feuer zu überwachen, arbeiteten in den Feldern oder kochten in den Malocas.
Fast eine Stunde saß Thomas am Ufer, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Pater Ernesto stand hinter ihm. Er hatte ihn nicht kommen hören.
»Was ist los, Tom?« fragte er, ging um den Freund herum und setzte sich an seine Seite. »Eifersucht wegen Beja? Das ist doch Dummheit.«
»Nicht Eifersucht, Ernesto. Ich habe Angst um Luise. Ich traue Beja nicht eine Minute lang.«
»Nicht zehn Sekunden. Aber Luise kannst du vertrauen.«
»Er kann über sie herfallen und sie zwingen.«
»Nicht Luise. Sie kann sich wehren.«
»Und wenn er sie würgt, sie besinnungslos macht?«
»Dann möchte ich nicht Beja sein, wenn Luise wieder aufwacht.«
»Aber dann ist es geschehen. Ernesto, ich habe nie verstanden, wie man einer Frau wegen einen anderen Menschen töten kann. Jetzt begreife ich es. Ich werde Beja umbringen, wenn er Luise angefaßt hat!«
»Und weißt du, was dann passiert?«
»Beja wird spurlos im Wald verschwunden sein. Wer könnte jemals das Gegenteil beweisen?«
»Bilac würde dann voll die Schuld den Indios zuschieben und sie mit einem hämischen Grinsen ausrotten. Wozu er fähig ist, haben wir nach Ramos' Tod erlebt. Komm, Tom. Im Hospital warten die Kranken auf dich.«
Thomas erhob sich und schüttelte den Kopf. »Ich begreife das nicht. Warum hat sie das getan? Ich habe sie gewarnt.«
»Vielleicht bezweckt sie etwas damit.«
»Was?«
Pater Ernesto hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Frauen haben ihre eigenen Vorstellungen.«
Nach einem Marsch über sieben Stunden, ab und zu unterbrochen durch eine kurze Rast, hatten sie sich bis zu einem lichteren Platz im Wald durchgeschlagen. Hinter ihnen blieb ein Pfad zurück, freigehauen von den Macheten der Yanomami. »Hier schlagen wir unser Lager auf!« hatte Luise gesagt. »Was meinen Sie, Senhor Beja?«
»Sie sind hier der Boß.« Beja lächelte sie an. Wider Erwarten zeigte er keine Ermüdungserscheinungen, wie sie zu Beginn der Expedition vermutet
Weitere Kostenlose Bücher