Das Regenwaldkomplott
hatte. Im Gegenteil, Beja war so munter, daß er mithalf, die Zelte aufzustellen und das ›Basis-Lager‹ in einem Kreis von zehn Metern von allen Büschen, Farnen, hohen Gräsern und kleinen Bäumen zu säubern und zu roden. Drei Yanomami suchten Holz für die Feuer, die beiden anderen packten ihre Lasten aus und trugen alles in Luises Zelt. Sie kannten das schon, sie waren mit der weißen Frau schon zweimal im Wald gewesen. Den ganzen Marsch über hatten sie keinen Laut von sich gegeben. Auch jetzt verrichteten sie stumm ihre Arbeit und hängten dann ihre Hängematten zwischen einigen dünnstämmigen Bäumen auf. Wie in den Malocas häuften sie neben jede Hängematte einen Stapel Holz und Zweige, um am Abend das eigene Feuer entfachen zu können.
»Wie geht's nun weiter?« fragte Beja neugierig. »Ich denke mir, Sie dringen in den nächsten Tagen sporadisch weiter in den Regenwald ein und sammeln Ihnen unbekannte Pflanzen.«
»So ähnlich, Senhor Beja. Das Ziel meiner Forschungen ist begrenzt. Man kann nicht jede neue Art aufnehmen, das ginge ins uferlose. Dazu würde auch eine große Expedition mit mehreren Biologen nötig sein. Ich habe mich darauf beschränkt, unbekannte Arzneipflanzen zu erforschen, die für die Medizin einmal wichtig sein können. Denken Sie daran, was ich Ihnen heute morgen von der Yamwurzel und dem Chinin erzählte.«
»Diese neuen Pflanzen oder Wurzeln – woher wollen Sie wissen, daß es Heilpflanzen sind?«
»Von den Yanomami. Sie führen mich dahin, wo die Pflanzen wachsen. Heilkräuter, die sie kennen.«
»Senhorita Luisa, verstehen Sie denn die Sprache der Indios?«
»Nein. Aber einer von ihnen kann etwas Portugiesisch. Dort, der lange, schmale Indio, der gerade seine Hängematte befestigt. In seinem Stamm ist er der Nachfolger des Medizinmannes, bei dem er noch lernt. Jeder Medizinmann hat seine hekula , seinen eigenen Geist, der ihn leitet und berät und ihm Weisheit gibt. Noch hat Yama, so heißt der Yanomami dort, nicht seine eigene Hekula, und es wird noch dauern, bis er ein Shaboliwa wird. Ist er dann ein Medizinmann, so kann er nicht mehr mit mir in die Wälder, denn die Hekula mag den Geruch von Frauen nicht. Er muß also sehr viele Gebote hinsichtlich von Frauen und Liebe befolgen, sonst verläßt ihn die Hekula wieder, und er ist kein Shaboliwa mehr. Das wäre das Schrecklichste, was einem Yanomami passieren kann – seinen Geist zu verlieren.«
»Ich bewundere Sie, Luisa.« Beja strahlte sie an. »Wie schnell Sie sich in die Welt der Indios eingelebt haben. Sie sind eine bemerkenswerte Frau. Ich bin noch keiner wie Ihnen begegnet.«
Das war ein Kompliment aus vollem Herzen, denn immerhin war Beja jetzt schon fünfundfünfzig Jahre alt und hatte sich sein Leben lang außer mit den Indios vornehmlich mit schönen Frauen beschäftigt. In Boa Vista ging eine Redensart um: »Glaube keiner schönen Frau – sie war ja doch bei Arlindo Beja.«
Als es dunkler wurde, zündete man die Feuer an. Über das große Feuer in der Mitte des freigeschlagenen Platzes hing an einem Eisengestell ein großer stählerner Kessel, in den einer der Yanomami Wasser und Maniokmehl schüttete und alles zu einem dicken Brei verrührte. Über den kleineren Feuern standen Kessel, in denen Bananen kochten und Gemüse garte. Beja und Luise saßen vor dem Zelt auf einer Decke und blickten in die Flammen.
»Und was essen wir?« fragte Beja.
»Das gleiche wie die Yanomami.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst.«
»Aber ja.«
»Sie haben keine Konserven mitgenommen?«
»Wozu? Morgen gibt es einen Braten. Zwei Indios werden auf Jagd gehen, und die bringen bestimmt etwas mit.«
»Ganz gleich, was sie bringen. Sie essen das auch?!«
»Ja. Wenn sie es überleben, werde ich es auch.«
»Und wenn sie eine Boa, eine dicke Schlange mitbringen?«
»Dann essen wir ein Schlangensteak. Verziehen Sie nicht den Mund, Senhor Beja. Sie essen doch auch Tintenfische, Garnelen, Krebse, Hummer, Froschschenkel. Warum dann nicht auch eine Schlangenscheibe? Wenn Sie mit mir in den Regenwald gehen, sollten Sie nicht zimperlich sein. Ich habe Sie gewarnt.«
Beja nickte etwas betreten. Warten wir es ab, dachte er. Heute gibt es nur Maniokbrei mit Bananen und Gemüse. Das schaffe ich noch.
Er rückte etwas näher an Luise heran und wollte seinen Arm um ihre Schulter legen, aber mit einer schnellen Bewegung schüttelte sie ihn ab.
»Es wird kälter«, sagte er wie zur Entschuldigung.
»Dann rücken wir näher ans
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