Das Regenwaldkomplott
bin für Scherze nicht aufgelegt. Warum haben Sie mir nicht von dieser Begegnung erzählt?«
»Sollte ich das? Ich betrachte es als meine Privatangelegenheit.«
»Bei einem mehrfachen Mörder gibt es nichts Privates mehr! Es war Ihre Pflicht.«
»Meine Pflicht hier ist, Kranken zu helfen und sie wenn möglich zu heilen.«
»Was wollte er von Ihnen? Hing auch bei Ihnen ein Zettel am Pfeil?«
»Ja. Er begrüßte uns, sehr freundlich. Weiter nichts.«
»Er … er begrüßte Sie?!« Beja mußte tief Luft holen. Sein Gesicht verzog sich. »Wo ist der verdammte Zettel?«
»Wir haben ihn in den Fluß geworfen.«
»Sie haben –« Beja starrte Thomas an, wie eine Boa ihr Opfer mustert, ehe sie es umschlingt und erwürgt. »Sie haben so einen wichtigen Zettel –«
»Für mich war er nicht wichtig. Was stand denn auf Ihrem Zettel?«
Beja winkte ab, ging im Arztzimmer hin und her und blieb dann abrupt vor Thomas stehen. »Hier wird es bald anders aussehen«, sagte er drohend. »Ich werde Coronel Bilac benachrichtigen. Er wird hier aufräumen, jawohl, aufräumen. Dieses Santo Antônio stinkt mir seit langem, seit über zwanzig Jahren schon! Immer wieder kommen von hier regierungsfeindliche Berichte in die Weltpresse. Und jetzt ist auch noch ein Arzt hier, der mit einem Massenmörder eine Art Freundschaft schließt.«
»Ich habe diesen Mann noch nie gesehen und gesprochen.«
»Aber Sie haben Beweismaterial vernichtet, das zu seiner Ergreifung hätte führen können.«
»Nun regen Sie sich ab, Senhor Beja, und sehen Sie die ganze Sache nüchterner. Was hätte der Zettel beweisen können? Nichts anderes, als was jeder ohnehin schon weiß. Im Regenwald am Rio Parima lebt ein Mann, der sich zum Rächer ernannt hat. Und jeden Tod – Sie nennen es Mord – begründet er eingehend, aus seiner Sicht, natürlich. Nun hat er auf Sie geschossen, absichtlich daneben. Also was soll der Zettel beweisen?«
»Es verhärtet sich immer mehr der Verdacht, daß der ›Rote Pfeil‹ kein Indianer, sondern ein Weißer ist! Das ist wichtig. Aber warten Sie Coronel Miguel Bilac ab. Hier wird sich vieles ändern, Senhor!«
»Und wo ist Luise geblieben?«
»Im Wald. Wo sonst?«
»Sie haben sie zurückgelassen, Senhor Beja?«
»Luisa wird nichts geschehen. Der ›Rote Pfeil‹ wacht über sie. Das habe ich jetzt schriftlich.«
»Das beruhigt mich ungemein. Sie ist also in bester Obhut.«
»Ein Mörder paßt auf sie auf!« schrie Beja erregt. »Ein Mörder. Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?! Aber der Kerl hat einen großen Fehler gemacht, jetzt, gerade jetzt, wo er den Schutzengel für Luisa spielen will. Mit diesem Fehler werden wir ihn festnageln! Wo Luisa ist, wird also auch er in der Nähe sein. Das bedeutet: Wir brauchen nur Luisa zu überwachen, um an ihn heranzukommen!«
»Genial einfach.« Toms Stimme schwamm im Spott. Beja zog die Augenbrauen hoch und musterte ihn mit hartem Blick.
»Sie werden es erleben«, fuhr er fort. »Coronel Bilac ist ein ausgezeichneter Taktiker. Das hat er mehrfach bewiesen.«
»Bei der Ausrottung von Yanomami-Stämmen –«
»Das will ich nicht gehört haben, Dr. Binder. Ich bin als Chef der FUNAI von Roraima über alles unterrichtet. Kein Stamm wurde ausgerottet, keinem auch nur ein Haar gekrümmt. Alle Indianer in den erschlossenen Gebieten wurden in Reservate umgesiedelt. Mit Hilfe der FUNAI . Nur sensationsgeile Reporter aus Europa und Amerika machten daraus eine Indianertragödie, voll von Lügen und Gemeinheiten. Und Neid kommt auf, blutiger Neid, weil Brasilien unter seinen Wäldern die größten Mineralienvorräte der ganzen Welt hat! Man schiebt die armen Indianer vor, um uns daran zu hindern, diese Bodenschätze zu heben und auf dem Weltmarkt mitzusprechen. Dr. Binder, Sie wissen ja gar nicht, was hier gespielt wird. Es geht um Milliarden Dollar! Um Marktanteile. Um Börsenkurse. Sie haben ja keine Ahnung!«
Thomas schwieg. Er dachte an Pater Ernestos Warnung bei seiner Ankunft: Wer Beja zum Feind hat, kann im Regenwald verschimmeln. Er bekommt keine Unterstützung, nicht ein Nagel kommt dahin, wo er gebraucht wird. Die FUNAI kontrolliert alles – in Boa Vista ist Beja die FUNAI . Ballen Sie die Fäuste in der Hosentasche, und schlucken Sie alles hinunter. Damit kommen Sie hier weiter. Rennen Sie nicht ins offene Messer. Es leiden nur Ihr Hospital und Sie!
Beja kniff die Augen zusammen und musterte Thomas mit einem gefährlichen Blick. Tom hielt den Blick aus, und ohne es laut
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