Das Regenwaldkomplott
lächelte breit. »Es gibt Situationen, da muß man schnell handeln. Damit alles seine Richtigkeit hat, habe ich dich ja eingeladen. Wir hätten es auch in aller Stille tun können.«
Bento spürte, wie sich seine Nackenhaare etwas aufrichteten. Kälte durchzog seinen mächtigen Körper. Er blickte auf Emilio hinunter, der einen Kopf kleiner war als er, mit schwarzen Locken, Wieselaugen und einem durchtrainierten schlanken Körper.
»Betrachten wir mal das Gesetz, das wir uns selbst gemacht haben, um Ordnung in diesen Haufen von Glücksrittern, Dieben, Gaunern, Totschlägern und Geldgierigen zu bringen. Alles, so heißt es, was die Arbeit, das Zusammenleben, die Kameradschaft behindert oder gefährdet, ist zu bestrafen. Dazu tritt ein Gericht zusammen, das aus der Mitte der Garimpeiros gewählt wird. Das Gericht ist vorhanden.«
»Ohne meine Mitwirkung. Das erkenne ich nicht an!«
»Es handelt sich um eine eilige Sache, Benjamim. Um ein Sondergericht –«
»Er will uns töten!« schrie Roberto, der ältere der Gefesselten. »Wir haben nichts getan! Nichts!«
»Außerdem ist es unsere eigene Sache!« schrie der jüngere Paulo.
»Da haben wir den fatalen Irrtum, BB.« Emilio schüttelte wie traurig den Kopf. »Es geht uns alle an – und sie begreifen es nicht. Wir haben einen Hinweis bekommen, und den nahmen wir sehr ernst, auch wenn er anonym war. Da es ein Notfall ist, haben wir Roberto und Paulo aufgegriffen und ins Campspital gebracht.«
»Zu Dr. Lagos?« Benjamim verzog den Mund. »War er überhaupt fähig, sie anzusehen? Ab elf Uhr vormittags ist er doch besoffen. Und warum habt ihr sie zu Dr. Lagos gebracht?«
»Es waren auch Dr. Panhal und Dr. Baqueiro da. Wir mußten Roberto und Paulo erst betäuben, ehe wir ihnen Blut abnehmen konnten. Dr. Baqueiro hat es sofort im Labor untersucht.«
»Gelogen! Alles gelogen!« schrie Roberto und zerrte an seinen Fesseln. »Bento, glaube ihm kein Wort.«
»Es liegt ein schriftliches Laborgutachten vor, du kannst es lesen.« Emilio hob etwas die Stimme. »Wußtest du, daß die beiden schwul sind?«
»Nein. Aber sie sind nicht die einzigen in Novo Lapuna.«
»Genau das ist es ja, was uns zur Eile zwingt.« Emilio holte tief Luft, ehe er den Schuß losließ. »Diese Kerle haben Aids.«
Bento schwieg. Das Kältegefühl in ihm aber verstärkte sich. Aids im Camp – bei 45.000 Garimpeiros, die ahnungslos waren, die wenigsten homosexuell, aber dennoch jeden Tag gefährdet. Denn über die kleinste Verletzung konnte Blut eines Infizierten übertragen werden, noch dazu bei diesen sowieso schon katastrophalen hygienischen Verhältnissen. Vielleicht liefen bereits Hunderte von Infizierten herum, die nichts ahnten und einmal qualvoll sterben würden, ohne daran eine Schuld zu haben.
Bento starrte Emilio und dann Roberto und Paulo an und schwieg.
»Alles Lüge!« schrie Paulo in die Stille hinein. »Diese versoffenen Ärzte –«
»Ihr seid wirklich schwul?« fragte Bento mit schwerer Zunge.
»Ja!« brüllte nun Roberto. »Aber das ist doch kein Verbrechen! Wenn du wüßtest, wieviel es von uns im Camp gibt!« Er holte röchelnd Atem. »Es existiert sogar ein heimliches Jungenbordell. Tarif wie bei den Huren. Eineinhalb Gramm Gold. Wir haben viel zu wenig Huren hier, wir brauchten das Zehnfache! Was bleibt da anderes übrig als von Mann zu Mann?«
»Mit wieviel Männern habt ihr's getrieben?« fragte Emilio ruhig.
»Das weiß ich nicht. Führt man darüber Buch?«
»Hundert? Zweihundert? Oder noch mehr?«
»Ich weiß es nicht, verdammt!«
Emilio wandte sich zu Bento, der noch immer wortlos im Kreis stand.
»Das mit den Jüngelchen kennen wir jetzt wenigstens; das haben sie uns verraten. Doch keiner weiß, wieviel Kerle die beiden angesteckt haben. Es ist einfach entsetzlich. Novo Lapuna ist eine einzige, riesige Zeitbombe geworden. Im Hospital liegen bisher drei Garimpeiros mit dem Kaposi-Sarkom. Sie werden elend verrecken. Und alle drei geben an, mit Roberto und Paulo verkehrt zu haben. Vorher waren sie gesund. Das genügt.«
»Dann untersucht auch die anderen!« schrie Paulo.
»Das werden wir. Und mit euch werde ich demonstrieren, was passiert, wenn uns jemand Aidssymptome verschweigt.«
»Er will uns töten, Bento, hörst du's?« brüllte Roberto. »Das kann er doch nicht machen … das kann er doch nicht.« Sein Brüllen ging in ein Schluchzen über, und dann weinte er wie ein Kind, das sich das Knie aufgeschlagen hat.
»Ich habe bei meinen Bossen
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