Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
Bestie.
Darian bemerkte, dass auch seine Gefährten nicht aus dem Staunen herauskamen, während Bas’Akir stumm auf die Stadt am rechten Ufer des Sees blickte.
»Ist das Kyrâstin?«, fragte Atorian mit ungläubig klingender Stimme, ohne seine Augen von jenem Wunder nehmen zu können.
An den Ufern des Sees erhoben sich prächtige Paläste, so weit das Auge reichte. Die hintersten Gebäude schienen direkt in den Fels gehauen zu sein, und auf der Erhebung, die sich etwa in der Mitte der Stadt deutlich sichtbar abzeichnete, war ein kolossaler, alles überragender Stalagmit zu erkennen, auf dem ebenfalls die Schatten der Feuer von Kyrâstin tanzten.
»Habt ihr jemals etwas Schöneres gesehen?«, erkundigte sich Bas’Akir, diesmal ohne jeden Zynismus. Stattdessen klang ein Hauch von Wehmut und großer Liebe zu seiner Stadt in seiner Stimme mit.
Selbst Mia, die eigentlich nichts im Unterreich schön finden wollte, blickte voller Bewunderung auf dieses architektonische Kunstwerk. Eine Art Promenade führte am Ufer entlang, und in der Ferne erkannte man dort viele Dunkelelfen. Darian fragte sich, welchen Tätigkeiten sie wohl nachgingen.
»Die Ewigen Feuer von Kyrâstin.« Bas’Akir verbeugte sich in Richtung der Mitte des Sees.
»Ist diese Kristallsäule natürlichen Ursprungs?«, wollte Atorian wissen. Der Grottenzwerg hingegen scharrte gelangweilt mit seinem Fuß im Kies herum und schien nicht begreifen zu können, welch ein Wunder sich den Oberflächenbewohnern hier offenbarte.
»Nein, Zauberer aus alten Tagen haben dieses Kunstwerk erschaffen, um die Ewigen Feuer auch während der Sommerzeit im Zaum zu halten, denn zu dieser Zeit lodern sie bis zur Decke, und ihre Hitze würde ein Leben in Kyrâstin unmöglich machen.«
»Wie viele Menschen, äh, Dunkelelfen leben hier?«, fragte Darian, doch bevor Bas’Akir antworten konnte, ertönte eine fremdartige Melodie, welche von den hohen Wänden zurückgeworfen wurde. Zunächst klangen die zitternden, auf und ab schwingenden Töne für die Ohren der Menschen unangenehm, dennoch berührte die Melodie ihr tiefstes Innerstes. Unverständliche Trauer machte sich in ihnen breit, und Darian bemerkte bestürzt, wie Mia, wohl ohne dass sie es selbst wahrnahm, Tränen die Wangen hinabliefen. Die Melodie verklang leise in den Höhen der Grotte, und Darian und seine Gefährten schüttelten ihre Erstarrung ab.
»Wir könnten Glück haben«, stellte Bas’Akir nüchtern fest. »Der Angriff der Mhortarras hat sicher Opfer gefordert, und sie werden vermutlich heute zu Ehren von Marvachân, dem Gott des Feuers und des Kampfes, den Ewigen Flammen übergeben.«
»Und warum soll das für uns Glück bedeuten?« Missbilligend blickte Atorian auf den Dunkelelfen.
»Ein Magier wird anwesend sein, um ihnen vor ihrer letzten Reise den Segen Kyrâstins zuteil werden zu lassen.« Beinahe konnte man meinen, er beneide die toten Krieger, als er weitersprach. »Sie sind in Ehre und Würde gestorben. Für ihr Volk, für Kyrâstin und ihren Gott. Sie werden nun bis zum Tag ihrer Wiedergeburt an Marvachâns Tafel speisen.«
Darian sah seinem Bruder genau an, dass ihm eine spöttische Entgegnung auf der Zunge lag, aber er hielt sich offenbar zurück. All das hier musste doch auch Atorian beeindrucken. Die Dunkelelfen verfügten über eine zwar oft unverständliche, aber einzigartige Kultur. Darian fragte sich, weswegen sein Bruder oft so verbittert klang, stets einen Grund für Unzufriedenheit und Nörgelei fand – unwürdig eines großen Anführers, wie Atorian es wohl früher gewesen war. Vielleicht hatten all die Jahre im Kerker Atorian hart zugesetzt, und Darian hoffte, dass sein Bruder irgendwann wieder zu sich selbst zurückfinden würde.
»Wird auch der Zauberer der Diomár anwesend sein, den wir suchen?«, fragte Atorian schließlich.
»Das weiß ich nicht, aber wir können es versuchen.« Bas’Akir zog sich seine Kapuze über den Kopf. »Allerdings wäre es besser, wir würden zunächst nach Aramias Vater …«
»Nein!« Die Miene der Nebelhexe verfinsterte sich schlagartig, wurde kalt und hart. Jetzt, wo Darian schon einige Dunkelelfen gesehen hatte, erkannte er deren Erbe in ihren Zügen, auch wenn er sich hütete, ihr das zu sagen.
»Nun gut, dann wird es schwierig.« Bas’Akir zuckte gleichgültig die Achseln. »Mein Name ist geächtet, ich werde kaum bei einem Magier vorgelassen werden.«
»Wir suchen den Zauberer und sehen dann weiter«, entschied Mia.
Sie alle hatten
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