Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
geflochten.
Die Männer hingegen hatten ihr langes Haar häufig nach hinten gebunden. Ihre Schwerter stellten sie offen zur Schau, und überall blitzten die schlanken, eleganten Waffen auf.
»Haltet eure Köpfe gesenkt«, zischte Bas’Akir seinen Gefährten zu und bedachte die doch deutlich breitschultrige Erscheinung von Darians Bruder mit sichtlicher Besorgnis. Trotzdem schienen sie im Strom der Dunkelelfen unterzugehen, die alle in Richtung des mächtigen Stalaktiten in der Mitte der Stadt strömten.
»Ich komme mir vor wie in einem Strom Piranhas«, flüsterte Darian, während er die schlanken, geschmeidigen Wesen mit ihren tödlichen Waffen betrachtete.
»In einem Strom von was?«, hakte Atorian leise nach.
Die Antwort blieb Darian ihm schuldig, denn die Menge stoppte, und sie fanden sich auf einem großen Platz wieder, über dem der Stalaktit thronte. Erst jetzt erkannte man, dass dieser Tropfstein zu einem Palast umgebaut worden war. Galerieartig zogen sich Gänge rund um den Stein. Seidige Vorhänge verdeckten herausgemeißelte, mit kunstvollen Ornamenten verzierte Fenster, und schimmernde Kristalle bildeten die Mitte steinerner Blumen.
»Der Herrscherpalast«, erklärte Bas’Akir leise.
Urplötzlich verstummte das von überall her tönende Gemurmel, und ein in silbern schimmernde Gewänder gekleidetes Paar trat gemessenen Schrittes auf die zum Platz hin zeigende Balustrade. Mit stolz erhobenen Köpfen und unbewegter Miene blickten Dun’Righal und seine Frau Xin hinab auf ihr Volk. Der Herrscher war schlank und hochgewachsen wie alle Vertreter seiner Art. Die silberweißen Haare bildeten einen interessanten Kontrast zu seiner dunklen Haut. Xin trug eine dunkelrote Robe, von der sich ihre etwas hellere Haut wirkungsvoll abhob. In ihr anthrazitfarbenes Haar waren kunstvolle Zöpfe geflochten, in denen winzige Edelsteine funkelten.
Wie alle Dunkelelfen strahlten auch diese beiden eine gewisse Arroganz aus, dennoch musste Darian verwundert feststellen, dass ihm die beiden auf den ersten Blick nicht einmal unsympathisch waren. Vielleicht war diese Überheblichkeit eher dem äußeren Erscheinungbild des Volkes geschuldet, den feinen Gesichtszügen, hohen Wangenknochen und schmalen, festen Lippen. Oder sie war das Resultat von durch jahrelange Ausbildung erworbenem Selbstbewusstsein. Darian fragte sich, wie er selbst wohl sein würde, wie er auf andere wirken würde, wenn er nur lange genug lebte, um es in vielen Künsten – die Kampfkünste, die Magie oder das Wissen um Geschichte oder Heilkunst – zur Perfektion zu bringen.
Xin’Righal, nur unwesentlich kleiner als ihr Gatte, erhob ihre klare, feste Stimme und begann von den Toten zu sprechen, welche auf einer Art Altar unterhalb der Balustrade aufgebahrt waren.
»Ehrt die Gefallenen, gedenkt der Toten«, begann sie, und ihre eindringlichen Worte hallten über die Köpfe der Zuhörenden hinweg. »Die Frauen und Männer, die vor euch liegen, haben den ehrenhaften Pfad des Kriegers gewählt. Viele Sommer und Winter ihres Lebens haben sie der Ausbildung gewidmet und im Dienste des Unterreichs und unseres Gottes gestanden. Indem sie sich zu Kriegern erhoben haben, haben sie sich zugleich vor uns allen verbeugt, da sie unserem Volk zu Diensten waren. Möge ihr Geist, der durch hartes Training scharf wie die Schneiden ihrer Klingen geworden ist, zu Marvachân reisen, um mit ihm an seiner Tafel, dem großen Tisch der Ehre zu sitzen.« Xin’Righal trat einen Schritt nach vorn und breitete die Arme aus. »Mögen die Feuer von Kyrâstin ihnen den Weg weisen und die dunklen Tunnel auf ewig in ihr rotes Licht tauchen.«
Am Ende verbeugte sie sich mit vollendeter Anmut zu einem etwas kleineren Dunkelelfen hin, der eine strahlend weiße Robe trug. Er stimmte ein Lied an, und augenblicklich bekam Darian am ganzen Körper eine Gänsehaut, so traurig und doch wunderschön war es.
Zu ihrer Linken teilte sich die Menge, und eine Gruppe von schätzungsweise fünfzig in ihre typischen dunkelroten Umhänge gekleidete Cómraghâr-Krieger stellte sich mit bewegungslosen Gesichtern neben die Toten. Die Totenklage dauerte eine lange Zeit an, und während sich die Cómraghâr nacheinander vor ihren gefallenen Kameraden verneigten und einige Worte sprachen, eine Hand auf die Aufgebahrten gelegt, wandte sich Bas’Akir leise an seine Gefährten. »Wenn die Zeremonie vorüber ist, werden sie zum Ewigen Feuer ziehen. Vielleicht gelingt es uns auf dem Rückweg, den Magier zu
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