Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
nicht mehr an den Grottenzwerg gedacht, der unentschlossen zwischen ihnen stand und sich nervös mit der pelzigen Zunge über die Lippen fuhr.
»Darf ich jetzt gehen?«, krächzte er, als sie sich anschickten, in Richtung Stadt zu laufen.
»Wenn du verrätst, dass Menschen in der Stadt sind, bist du tot«, drohte Bas’Akir kalt.
Darian hingegen schüttelte den Kopf, beugte sich zu dem kleinen Grottenzwerg hinab und schüttelte ihm die Hand, was diesen sichtlich verunsicherte. Seine Augen weiteten sich, und er starrte Darian fragend an.
»Wir danken dir für deine Hilfe.«
Verwirrt blickte Grumsh auf seine Hand, dann auf Darian. Anschließend nickte er und wackelte hastig in den Gang zurück.
»Du hättest ruhig etwas netter sein können«, beschwerte sich Darian. »Schließlich hat er uns vor dem Mhortarra gerettet.«
»Grottenzwergen kann man nicht trauen.« Raschen Schrittes eilte der Dunkelelf auf die Stadt zu, wo reges Treiben herrschte.
Darian hielt Mia zurück, als sie Bas’Akir und Atorian folgen wollte, und sah ihr ernst in die Augen.
»Mia, darf ich dir etwas sagen, ohne dass du mir an die Gurgel gehst?«
»Was denn?« Sie hob ihre feinen dunklen Augenbrauen und sah Darian aufmerksam an.
Er wusste nicht so recht, wie er beginnen sollte. »Ich fände es wichtig, dass du deinen Vater kennenlernst.«
Erwartungsgemäß verfinsterte sich ihr Gesicht schon nach seinen ersten Worten. »Nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.« Ihre vor der Brust verschränkten Arme zeigten an, wie ernst es ihr war. Doch diesmal ließ Darian nicht locker und legte einen Arm um sie.
»Ob es dir gefällt oder nicht, er ist ein Teil von dir, und du kannst etwas über dich selbst lernen, wenn du ihn triffst.«
»Er ist ein Mörder und hat meine Mutter geschändet – es gibt nichts, was mich mit ihm verbindet, außer sein schmutziges Blut.« Ihre grünen Augen funkelten, und jetzt ähnelte sie tatsächlich einer wütenden Dunkelelfenkriegerin. Darian lächelte sie traurig an.
»Ich würde viel dafür geben, meinen Vater einmal zu treffen, aber mir wird das nicht mehr möglich sein.«
Plötzlich wurden ihre Züge weicher, ihr Schultern entspannten sich, und sie umarmte Darian. »Ich verstehe, was du meinst«, sie streichelte ihm zärtlich über die Wange, »aber man kann Jarredh von Northcliff, den von allen geliebten und geachteten König der Menschen, nicht mit einem verräterischen Dunkelelfen vergleichen.«
Seufzend hob Darian die Schultern. »Vielleicht hast du Recht, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass wir nicht einmal einen Bruchteil von dem wissen, was die Dunkelelfen wirklich ausmacht. Ich liebe dich, Mia, und zwar auch jeden Tropfen deines Blutes. Du solltest es auch lieben, denn es gehört zu dir.«
Mia blickte Darian sprachlos an, öffnete dann den Mund zu einer Entgegnung, aber da kam Bas’Akir schon zurückgerannt und forderte sie auf, ihm endlich zu folgen.
Die Kapuzen weit ins Gesicht gezogen, schritten die Gefährten die engen Gassen Kyrâstins entlang. Immer wenn Darian oder seine Freunde einen Blick unter ihrer Kapuze hervor riskierten, kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Jedes einzelne Haus war ein Kunstwerk, das seinesgleichen suchte. Verschlungene Ornamente, Edelsteine in Torbögen eingefasst und verspielte Erker machten selbst das kleinste Haus zu einem Palast. Dabei wirkte alles überraschenderweise weder protzig noch überladen, jedes Gebäude hatte seinen eigenen, faszinierenden Stil. Parkähnliche Teppiche aus glimmerndem Moos, die zwischen dem die im Unterreich typischen Bäume und Büsche wuchsen, unterbrachen immer wieder die Häuserzeilen. Großes Gedränge herrschte in den Gassen, und nun wurde selbst für Darian, Mia und Atorian sichtbar, worin sich die Klassen der Dunkelelfen unterschieden. Die meisten trugen ähnliche silbergraue Umhänge wie sie selbst mit ebenfalls tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen. Andere Dunkelelfen zeigten ihre Gesichter stolz und waren in prächtig verzierte Gewänder gehüllt. Beim einfachen Volk war es Darian häufig schwergefallen, Mann von Frau unterscheiden zu können, denn sie alle hatten langes, seidiges Haar und die Frauen nur geringfügig weichere Züge, sofern man bei einem Dunkelelfen überhaupt davon sprechen konnte. Doch hier, in der Hauptstadt, zeigten sich die weiblichen Dunkelelfen mit Schmuck behängt. Sie trugen lange, fließende Gewänder, und in ihre seidigen Haare waren Perlen und winzige schimmernde Kristalle
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