Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
auf ewig dazu verdammt, allein zu bleiben.« Ohne ein weiteres Wort ließ er sich auf die Seite sinken und kauerte sich zusammen, während Aramia noch lange über seine Worte nachdenken musste. Atorian tat ihr leid, und vielleicht hätte sie sich unter anderen Umständen sogar zu ihm hingezogen gefühlt, aber ihr Herz gehörte Darian.
Noch vor dem Morgengrauen brachen die beiden wieder auf. Die Rast hatte ihnen wenig Erholung verschafft, auch wenn das Gespräch der letzten Nacht sie befangen miteinander umgehen ließ. Da sie noch niemals hier gewesen waren, konnten sie die Richtung nur erahnen. Am späten Vormittag erreichten sie die zerklüftete Westküste der Insel und hielten sich dann versuchsweise in nördlicher Richtung.
Eine seltsame, fast schon schwere Stille lastete über der Insel. Aramia hatte schon gehört, dass es auf den Geisterinseln keine menschlichen, elfischen oder Trollsiedlungen gab, aber das beinahe vollständige Fehlen von jeglichem Leben überraschte sie doch und war sehr erdrückend. Selbst die in Albany allgegenwärtigen Heidefeen sah man hier nicht über den Heidekrautfeldern schweben, kaum mal ein Reh oder Hase kreuzte ihren Weg. Am wolkenverhangenen Himmel zogen vereinzelte Möwen ihre Kreise, aber ihr sonst so durchdringendes Gekreische klang gedämpft und fern.
Der Morgen war bereits weit fortgeschritten, als Aramia in der Ferne einen imposanten Steinkreis erblickte. Schätzungsweise zwanzig gewaltige Monolithen erhoben sich beinahe schon drohend in den düsteren Himmel, an dem grau-schwarze Wolken hingen. Ein Stück weit östlich befanden sich die Reste eines Gebäudekomplexes, vielleicht eine Burgruine, vielleicht auch ein Gutshof. Die beiden waren so sehr von dem faszinierenden und zugleich auch bedrohlichen Anblick des Kreises der Seelen gefesselt, dass selbst Aramia, die sehr feine Sinne besaß, erschrak, als plötzlich Tagilis aus einer dunstverhangenen Senke vor ihnen auftauchte. Sein blasses, meist ernstes Gesicht verzog sich zu einem freudigen Lächeln.
»Den Göttern sei Dank. Endlich habe ich euch gefunden.«
Aramia und er umarmten sich freundschaftlich, während Atorian zu wissen verlangte, wo die anderen waren.
»Aramia, geh zu Darian«, riet der Halbelf, »der Arme ist vollkommen außer sich und rennt kopflos an der Küste auf und ab.«
Sofort eilte Aramia in die von Tagilis beschriebene Richtung davon und stieß tatsächlich wenig später auf Darian, dem sie die Erleichterung bereits von weitem ansah. Er rannte auf sie zu und schloss sie glücklich in die Arme.
»Mia, ich hatte wirklich Angst, du wärst ertrunken!« Dann stockte er. »Wo ist Atorian?«
»Keine Sorge, er ist bei Tagilis. Ich denke, sie sind inzwischen schon bei Nordhalan.«
Erleichtert schloss Darian für einen Augenblick die Augen, dann legte er Aramia fürsorglich seinen Umhang über, bevor er sich von ihr erzählen ließ, wie sie dem tobenden Meer entkommen waren.
Nach einem kurzen Marsch erreichten Darian und Mia Nordhalan, Tagilis und Atorian, die auf einem Hügel unweit des Steinkreises standen und zu diesem hinübersahen.
»Aramia, ich bin sehr froh, auch dich wohlbehalten wiederzusehen!« Das Gesicht des alten Zauberers legte sich in Falten, als er sie freudig anlächelte.
»Was ist das für ein Ort?« Schaudernd deutete Darian auf die Ruine, die sich direkt in ihrem Rücken befand. Zwei Türme waren noch vollständig erhalten, aber die Außenmauer – erbaut aus dem dunkelgrauen Gestein der Umgebung – war vollständig heruntergebrochen und von Moos überzogen. Im Innenhof befand sich ein Brunnen, über dem noch die rostigen Überreste eines Eimers im garstigen Wind schaukelten.
Bevor Nordhalan, der auf das Gemäuer starrte, etwas sagen konnte, begann Tagilis bereits zu erzählen.
»Das ist der alte Versammlungsort der Diomár.«
»Woher weißt du das?« Wie vom Donner gerührt fuhr Nordhalan zu dem Halbelfen herum.
»Die Geister sind unruhig an diesem Ort.« Plötzlich wirkte Tagilis’ Blick abwesend und verschleiert. »Sie flüstern von altem Wissen und begangenem Unrecht, und viele von ihnen finden noch heute keinen Frieden. Sie irren umher, versteckt im Dunst, getragen von den heulenden Winden der Geisterinsel.«
Voller Aufregung fasste Nordhalan Tagilis am Arm. »Haben sie dir erzählt, was genau damals geschah?«
»Nein«, Tagilis’ Blick klärte sich wieder, »es sind nur Erinnerungsfetzen.«
Enttäuscht seufzend ließ Nordhalan ihn los. »Das ist bedauerlich, sonst
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