Das Reich der Dunkelheit
sich wie ein Feigling verhalten hat, und das werde ich ihm nie verzeihen!“
Norma schweigt. Auch wenn sie Metáfora nicht zurechtweist, bin ich mir sicher, dass sie ihre Worte nicht gutheißt.
„Vergiss nicht, er war dein Vater“, sagt sie schließlich. „Irgendwann wirst du vielleicht verstehen, was wirklich passiert ist.“
„Was wirklich passiert ist?“, fährt Metáfora auf. „Soll das ein Witz sein, Mama? Er konnte nicht mit ansehen, wie seine Tochter so dalag. Deswegen ist er abgehauen. Und das, als wir ihn am nötigsten brauchten. Das ist passiert! Und das weißt du ganz genau! Ich verstehe nicht, wie du ihn plötzlich in Schutz nehmen kannst.“
„Vielleicht, weil die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen?“
Metáfora presst die Lippen aufeinander. Offenbar ist sie genauso durcheinander wie ich.
Mein Vater verteilt den restlichen Wein auf die beiden Gläser.
„Und jetzt werden die Geschenke verteilt!“, verkündet er feierlich. „Wenn jemand Geburtstag hat, muss man ihm ein schönes Geschenk machen … Hier, Metáfora, das ist von Arturo und mir. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“
Er übergibt Metáfora ein Päckchen, und Metáfora schnürt es sogleich auf.
„Eine Krone!“, ruft sie. „Eine richtige Krone, von einer Königin!“
„Es ist eine Kopie der Krone von Königin Ginevra“, erklärt mein Vater. „Das war Arturos Idee.“
Metáfora steht auf, geht zum Spiegel und setzt sich langsam die Krone auf den Kopf.
„Du siehst wunderschön aus!“, ruft Norma. „Wie eine richtige Königin!“
„Danke, Arturo … Vielen Dank“, sagt Metáfora und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Ich finde, sie steht dir zu“, entgegne ich. „Für mich bist du eine Königin, nur die Krone hat gefehlt.“
Metáfora wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, geht zu ihrer Mutter und gibt ihr einen Kuss.
„Vielleicht sieht dich dein Vater ja von dort, wo er jetzt ist“, sagt Norma.
„Was hast du denn heute, Mama? Warum verteidigst du ihn die ganze Zeit? Ich kann ihm nicht verzeihen, und das weißt du ganz genau.“
„Das solltest du aber!“, ruft Norma unerwartet heftig. „Nach allem, was er für dich getan hat! Du verdankst ihm alles!“
Norma steht auf und verschwindet schluchzend in ihrem Zimmer.
Metáfora sitzt da wie gelähmt, genauso wie wir.
„Scheiß Pastelum Veritas“, murmle ich.
„Kannst du wohl laut sagen“, stimmt mir mein Vater zu und trinkt den letzten Schluck aus seinem Glas.
Plötzlich geht die Tür auf, und Norma steht mit geröteten Augen im Türrahmen.
„Und du, wann willst du endlich deine Frau wiederbeleben? Ich hab die Schnauze voll vom Warten!“
Jetzt ist der Abend definitiv zu Ende.
XXI
D ER B ELAGERUNGSRING WIRD DURCHBROCHEN
D IE N ACHT WAR tiefschwarz. Der Mond war nicht zu sehen, und auch die Sterne hatten beschlossen, sich zu verstecken.
Im Lager von Ambrosia war es stockdunkel. Man hatte das Gefühl, sich im Jenseits zu befinden, wo die finsteren Kräfte jeden Moment in Erscheinung treten konnten. Es herrschte völlige Stille. Niemand im Lager der Demoniquianer konnte ahnen, was ihnen bevorstand.
Arturo ritt an der Spitze seiner Reitertruppe. Er drückte mit den Schenkeln leicht gegen die Flanken des Pferdes, und das Tier fiel gehorsam in langsamen Schritt. Crispín ritt direkt hinter seinem Herrn, in der Hand den gespannten Bogen, um auf jede verdächtige Bewegung sofort reagieren zu können. Arquimaes zog den Karren, auf dem der mit einem schwarzen Tuch bedeckte Sarg lag. Die anderen Reiter folgten lautlos.
Ein gutes Stück Weges legten sie zurück, ohne einem Feind zu begegnen. Sie konnten sicher sein, dass niemand sie bemerkt hatte. Sie überwanden die Palisade, verließen das Lager der Emedianer und konnten sich auf der Ebene in Stellung bringen, die sie von der demoniquianischen Armee trennte.
Die Lanzenreiter bildeten einen Keil, mit Arturo Adragón an der Spitze. Dahinter, gut geschützt von allen Seiten, der Karren mit dem Sarg.
Arturo zückte sein Schwert und gab den Befehl zum Angriff.
„Vorwärts!“, rief er, so laut er konnte.
Die Reiter gaben ihren Pferden die Sporen und ritten in vollem Galopp direkt auf das feindliche Lager zu. Der Karren folgte ihnen.
Die demoniquianischen Wachsoldaten hörten das Getrappel der Pferde. Sie zögerten, da sie auf eine solche Aktion nicht gefasst waren, doch dann beeilten sie sich, den Angriff zurückzuschlagen. Doch eswar bereits zu spät. Die Emedianer fielen über
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