Das Reich der Dunkelheit
Großen Drachen.“
„Dann wollen wir aufbrechen“, sagte Arquimaes. „Alles ist vorbereitet.“
Gemeinsam hoben die drei den Sarg hoch und trugen ihn aus der Grotte.
Als Arturo ins Freie trat, sah er die Krieger, die sich für den nächtlichen Überraschungsangriff wappneten.
Alles war bereit.
XX
D IE W AHRHEIT KOMMT ANS L ICHT
N ORMA HAT ZU viel getrunken und redet mehr, als sie sollte. Es herrscht eine seltsame Stimmung.
Norma und Metáfora streiten sich über das Thema, das ich mit meiner Bemerkung über die tragische Liebe des Ritters zu dem toten Mädchen angeschnitten habe.
„Ich habe seit Jahren nichts von meinem Vater gehört, aber wenn ich ihn sehe, werde ich ihn wissen lassen, dass er mir sehr wehgetan hat“, erklärt Metáfora wütend.
„Sag so was nicht, Metáfora“, weist Norma sie zurecht. „Es stimmt, er hat uns verlassen, als du sehr krank warst, aber du darfst nicht vergessen, dass er bestimmt einen Grund dafür hatte.“
„Einen Grund?“, explodiert Metáfora. „Du nimmst ihn auch noch in Schutz? Ich werde ihm das nie verzeihen! Er hat sich wie ein Feigling benommen. Es müsste verboten sein, dass Eltern ihren Kindern so etwas antun!“
„Das Essen war hervorragend“, sagt mein Vater, um das Thema zu wechseln und die Situation zu entschärfen.
„Jetzt kommt das Dessert“, verkünde ich. „Ich habe die Torte mitgebracht, die mir die Mönche aus dem Kloster Monte Fer geschickt haben. Sie sagen, sie stärkt das Gedächtnis und verleiht denen, die davon essen, magische Kräfte.“
„Erzähl mir nicht, dass die Torte von einem Alchemisten gebacken wurde!“, scherzt Norma. „In letzter Zeit hängt alles irgendwie mit Alchemie zusammen.“
„Ich hoffe, du hast nichts dagegen“, erwidert mein Vater. „Die mittelalterliche Alchemie hat große Entdeckungen gemacht, die das Leben der Menschen zum Besseren gewendet haben.“
„Jetzt werden wir feststellen, dass die Alchemisten auch große Feinschmecker waren“, sage ich. „Mal sehen, was uns die Mönche da geschickt haben.“
Ich stehe auf und öffne die Holzkiste, auf deren Inhalt wir alle so neugierig sind.
„Tatatata! Hier kommt die älteste Torte, die ihr jemals gegessen habt!“, rufe ich.
„Das ist ein Pastelum Veritas!“, sagt mein Vater, kaum dass er einen Blick darauf geworfen hat. „Das Rezept beruht auf einer mittelalterlichen Formel.“
„Wie hast du die Torte genannt?“, fragt Norma.
„Pastelum Veritas“, wiederholt er. „Eine Torte, die dafür sorgt, dass die Leute die Wahrheit sagen. Ich glaube, man hat sie sogar bei Verhören eingesetzt.“
„Ist es eine Schokoladentorte?“, erkundigt sich Norma. „Ich werde ein kleines Stückchen davon essen, aber …“
„Nein, das ist keine Schokoladentorte. Sie besteht aus gemahlenem Eiskraut, Wildbeeren, Feigen, Haselnüssen und anderen Früchten“, erklärt mein Vater, der sich damit auszukennen scheint. „Sie ist einzigartig auf der Welt. Es heißt, wer davon isst, kann nicht lügen. Nie mehr! Es ist die Torte der Wahrheit.“
„Eine Torte gegen die Lügen?“, fragt Norma ungläubig.
„Nein, mein Schatz, eine Torte für die Wahrheit. Das ist nicht dasselbe“, sagt Papa und zwinkert Norma zu. „Wenn du davon isst, kann ich sicher sein, dass du mir immer die Wahrheit sagen wirst. Ich brauche dir nie mehr zu misstrauen.“
„Also, ich weiß nicht, ob so etwas das Richtige für mich ist“, lacht Norma. „Manchmal kann zu viel Wahrheit schädlicher sein als hin und wieder eine Lüge.“
„Die Wahrheit ist die verlorene Göttin unserer Zeit“, sagt Papa. „Deswegen dürfen wir uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.“
„Von mir aus können wir sie ein andermal essen“, schlage ich vor.
„Kommt gar nicht in Frage“, protestiert Norma. „Heute ist genau der richtige Tag, um etwas Besonderes zu probieren.“
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, klatscht sie begeistert in die Hände. Ich stelle die Torte mitten auf den Tisch. Bevor jemand noch etwas dagegen einwenden kann, laufe ich schnell in die Küche und komme mit vier Dessertlöffeln zurück.
Ich muss an die Geschichten denken, die Papa mir über meine Geburt und über Mamas Tod erzählt hat und die ich immer für eine Lüge gehalten habe. Ich frage mich, was passieren wird, wenn mein Vater von der Torte isst.
„Es gibt da ein bestimmtes Ritual“, erklärt er. „Man muss ein paar Regeln beachten, damit es funktioniert. Jeder muss das Stück essen, das dem am
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