Das Reich der Elben 01
nicht entgehen lassen.
Keandir verzog grimmig das Gesicht, und er sagte zu
Thamandor: »So tut, was getan werden muss!«
Der Waffenmeister zielte mit einer seiner Einhandarmbrüste und drückte ab. Der ausgeklügelte Mechanismus ließ den Bolzen durch die Luft jagen, der einen Lidschlag später in das Holz des Piratenschiffes schlug und dort einen magischen Brand auslöste. Die Kampfschreie der Barbaren verwandelten sich in Schreckensrufe, und schließlich bekam das lecke Schiff Schlagseite und kenterte.
»Überlassen wir die Barbaren ihrem Schicksal!«, knurrte Siranodir mit den zwei Schwertern. »Sie haben es nicht anders gewollt!«
»Nein«, widersprach König Keandir. »Wir werden sie retten und an Bord nehmen. Vielleicht können wir von ihnen auch erfahren, was mit Ithrondyr und seinem Schiff geschah, denn ich bin mir sicher, dass es diese Route gesegelt ist.«
Kapitän Garanthor gab dem Steuermann der »Tharnawn« den
Befehl zu wenden, um die Schiffbrüchigen aufzunehmen.
Unter den Elben gab es insgesamt fünf Krieger, die durch Pfeile getroffen worden waren. Allerdings war nur einer dieser Treffer tödlich; der Bordheiler vermochte vier der Verletzten zu retten, nur für den zweiten Steuermann der »Tharnawn« kam jede Hilfe zu spät.
»Wir dürfen nicht zu viele von den Schiffbrüchigen aufnehmen!«, warnte Magolas.
»Sie werden nicht wagen, etwas gegen uns zu unternehmen«, widersprach Keandir. »Je mehr von ihnen wir später an Land absetzende mehr werden den anderen Rhagar von der Großherzigkeit der Götter berichten.«
»Ich hoffe nur, dass man uns diese Großherzigkeit nicht als Schwäche auslegt«, entgegnete Magolas. »Denn in diesem Fall wird uns die Verbreitung der Kunde schaden.«
Dennoch – die Elben nahmen so viele Schiffbrüchige wie möglich auf. Sie saßen dicht gedrängt am Bug, bewacht von Elben mit gespanntem Bogen. Alle im Wasser treibenden Rhagar konnten die Elben nicht aufnehmen, und die Schreie derer, die sie zurücklassen mussten, hallten ihnen noch lange in den Ohren – den Elben aufgrund ihres besseren Gehörsinns viel länger als den Menschen.
Mit Hilfe von Gelrond dem Sprachkundigen befragte Keandir die Geretteten.
»Wie kommt ihr Barbaren dazu, eure Götter anzugreifen?«, fragte er zunächst, denn er wollte wissen, wie es zu dieser Veränderung in der Einstellung der Rhagar gekommen war.
»Ihr seid keine Götter«, antwortete einer der Barbaren. »Der Sonnengott ist der wahre Herr der Welt, und sein Sohn ist der Eisenfürst aus Cosanien. Ihr seid nichts als eine uralte Rasse, die von der Zeit bald vergessen sein wird.«
Keandir erschrak über den Hass und die Verachtung in den
Worten des Rhagar.
»Dient ihr dem Eisenfürsten?«, fragte Keandir weiter.
»Ja, das tun wir. Er beherrscht das Meer und kennt das Geheimnis harten Metalls, gegen das die Schwerter der Tagoräer wie Halme aus welkem Schilf sind. Seine Armeen sind nicht aufzuhalten. Vor allem befreite er die Fronarbeiter aus dem Sklavendienst von deinesgleichen!« Der Rhagar spuckte verächtlich aus.
»Meinesgleichen?«, fragte Keandir. »Ihr seid also Elben begegnet!«
Keandir fragte nach Ithrondyr und seinem Schiff »Jirantor«. Möglicherweise hatten die Piraten es gekapert oder dies zumindest versucht. Doch das war nicht der Fall. Sie befuhren
diese Gewässer erst seit einem Jahr im Auftrag des Eisenfürsten, der offenbar den Traum hegte, dass sich ihm langfristig alle Rhagar und später auch alle Tagoräer unterwarfen. Den ganzen nördlichen Kontinent – womit offenbar das Zwischenland gemeint war – wollte er für den Sonnengott erobern.
Keandir fragte nach Begegnungen mit Elben und was es mit der Befreiung aus den Frondiensten auf sich habe. Ein anderer Rhagar antwortete ihm und berichtete von einem Elbenschiff, das vor vier Jahren an der Waldküste westlich von Cadlan gelandet sei. Die in der Gegend lebenden Rhagar hätten sich dem Kapitän des Schiffs bereitwillig unterworfen und seien ihm zu Diensten gewesen, als er von ihnen verlangt hatte, beim Aufbau eines Hafens zu helfen.
»Das muss Ithrondyr gewesen sein!«, entfuhr es Magolas, der die Worte des Rhagar und Gelronds Übersetzung mit anhörte.
»Welcher Maladran mag in ihn gefahren sein, dass er auf den Gedanken kam, an einer Küste der Rhagar einen Hafen gründen zu wollen?«
»Ich kenne Kapitän Ithrondyr seit frühester Jugend«, erwiderte Keandir. »Er hatte gewiss die besten Absichten.«
»Vielleicht seht Ihr ihn zu verklärt, mein Vater. Es könnte
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