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Das Reich der Elben 01

Das Reich der Elben 01

Titel: Das Reich der Elben 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Ygolas.
Aber Sandrilas schüttelte den Kopf. »Sie brauchen nicht zu sprechen, um uns zum König zu führen.«
Dann wählte er den Hornbläser Merandil, Thamandor den Waffenmeister und den Fährtensucher Lirandil als seine Begleiter aus. Den Rest des Trupps teilte er in zwei Gruppen auf – eine unter dem Kommando von Ygolas, die andere unter der Führung Siranodirs mit den zwei Schwertern. In einer Zangenbewegung sollten sich die beiden Gruppen dem Feuer nähern, dabei aber so lange Abstand halten, bis sie Merandils Signal hörten.
Thamandor der Waffenmeister legte jeweils einen Bolzen in seine Einhandarmbrüste ein, dann war der Spähtrupp zum Aufbruch bereit. Prinz Sandrilas hatte seinen Trupp mit Bedacht zusammengestellt. Merandil sollte natürlich das Horn blasen, und Thamandor verfügte über die stärkste Bewaffnung. Lirandil hingegen galt als ausgezeichneter Fährtensucher, was ihm den entsprechenden Namenszusatz eingebracht hatte. In der Zeit, als die Elben noch ihre Alte Heimat bewohnten, war er fast schon zur Legende geworden, so sicher hatte er die Spuren der unterschiedlichsten Geschöpfe zu erkennen vermocht. In jener Zeit hatte es viele Fährtensucher unter den Angehörigen des Lichtvolks gegeben, aber die meisten von ihnen waren während der unendlich langen Reise dem Lebensüberdruss heimgefallen. Der Anteil unter ihnen, der diesem Leiden zum Opfer fiel, war sogar zehnmal größer als
bei gewöhnlichen Elben. Die Heilkundigen hatten dafür nur eine Erklärung: Offenbar fiel es den Fährtensuchern besonders schwer, sich an das Leben auf See zu gewöhnen, das nur kurze Unterbrechungen kannte. Sie brauchten die Berge, die Wälder und vor allem festen Boden unter den Füßen, dessen Zeichen sie zu deuten wussten wie sonst niemand. »Auf See fühlen wir uns wie ein Lautenspieler, der sein Gehör verloren hat, oder wie ein Künstler, dessen Augenlicht schwindet«, hatte einer von ihnen gesagt, an jenem Tag, als er sich seinem Lebensüberdruss hingab und sich über die Reling seines Schiffes stürzte.
Lirandil war einer der wenigen, die noch unter ihnen weilten. Sein Haar war silbergrau, aber abgesehen davon sah man ihm nicht an, dass er selbst für elbische Verhältnisse bereits uralt war. Man bemerkte nur einen eigenartigen Widerspruch zwischen der jugendlichen Elastizität und Kraft seines Körpers und dem weisen, wissenden Blick seiner Augen, deren Iris im Gegensatz zu den meisten anderen Elben bernsteinfarben waren.
Prinz Sandrilas hatte oft bemerkt, dass jüngere Elben – darunter auch König Keandir – diesem Blick des Fährtensuchers ausgewichen waren. Zu groß war wohl die Furcht vor den unaussprechlichen Schrecken der Vergangenheit, zu groß die Angst, dass sie zur Nemesis für die Zukunft an den Gestaden der Erfüllten Hoffnung werden konnten, die doch eigentlich das Ziel ihrer Wanderfahrt waren. Vielleicht war es aber auch dieser grausame Lebensüberdruss, der im matten Glanz von Lirandils Bernsteinaugen klar zu erkennen war. Kein Elb konnte dieses Zeichen übersehen, und es erinnerte jeden von ihnen daran, dass der Keim dieser Krankheit in ihnen allen schlummerte. Vielleicht brauchte es nur den entsprechenden Anlass, um
diesen Keim der finsteren Todessehnsucht zu seiner dunklen
Blüte zu führen.
Das Einzige, was Lirandil während all der Zeit davor bewahrt hatte, dem schrecklichen Drang nachzugeben und seine überlange Existenz zu beenden, war der Wille, das Wissen der Fährtensucher eines Tages an eine jüngere Elbengeneration weiterzugeben. Obwohl es während der Zeit in der nebelhaften Sargasso-See so ausgesehen hatte, als ob es nie wieder Bedarf an elbischen Fährtenlesern geben würde, hatte Lirandil an diesem Gedanken festgehalten.
Irgendwann – vielleicht erst nach Abermilliarden von Tagen im wallenden Nebelmeer – würden die Elben ihre neue Heimat erreichen, die Gestade der Erfüllten Hoffnung.
An diesem Glauben hatte Lirandil festgehalten. Und so hatte er auch an seinem Leben festgehalten.
Irgendwann…
Für diesen Tag hatte er gelebt. Für diesen Tag und die Zeit danach, in der er einer neuen Generation seegeborener Elben das Fährtensuchen beibringen wollte. Erst danach durfte er sich den eigenen düsteren Neigungen hingeben und ins Reich der Jenseitigen Verklärung eingehen.
Ob das Land, auf das die Elben ihren leichtfüßigen Schritt gesetzt hatten, tatsächlich zu ihrer neuen Heimat werden konnte, daran hatte Lirandil inzwischen erhebliche Zweifel. War dieses Land es wert,

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