Das Reich der Elben 01
hatte ich Mühe, mein Gehör von all den Lauten abzuschirmen, die zwischen den Felsspalten widerhallten. Und jetzt ist da nichts mehr, so als wäre alles Getier plötzlich geflohen. Selbst die Möwen sind nicht mehr zu hören.«
Thamandor, den man »Thamandor den Waffenmeister« nannte, streckte die Hand aus und deutete in die Ferne, zu einem Berg, der sich als riesenhafter Schatten im Nebel erhob.
»Sieht noch jemand außer mir das Licht?«
»Was für ein Licht?«, fragte Siranodir mit den zwei
Schwertern.
»Ihr müsst euch konzentrieren…«
Einige Augenblicke lang war es ruhig.
»Das ist ein Feuer!«, sagte Merandil schließlich.
»Wenn es ein Feuer ist, so kann es nichts mit den Geflügelten zu tun haben«, meinte Thamandor.
Merandil hob die Brauen. »Wie kommt Ihr zu diesem voreiligen Schluss, Waffenmeister?«
Thamandor zuckte mit den Schultern. »Traut Ihr diesen Bestien etwa zu, ein Feuer entfachen zu können? Die würden sich dabei die Affenpelze versengen.«
»Nun, vielleicht unterschätzen wir die Geflügelten auch«, meinte Sandrilas. »Denkt daran, dass sie Waffen aus Eisen tragen. Sie sind nicht so primitiv, wie es den Eindruck hat.«
»Ich schätze eher, dass sie die Überreste einer längst untergegangenen Kultur sind«, äußerte Thamandor. »Sie sind degeneriert und entwickelten sich zurück, und jetzt sind sie kaum mehr als Tiere.«
»Aber ihre Waffen«, wiederholte Prinz Sandrilas. »Sie erschienen mir nicht sehr alt.«
»Vielleicht haben wir es mit den Geschöpfen eines Magiers zu tun«, überlegte Merandil der Hornbläser laut. »Ein Zauberer könnte sie geschaffen haben, und sie stehen in seinen Diensten.«
»Und wer war es, der dieses Relief in der Felsenküste schuf?«, fragte Thamandor der Waffenmeister.
»Wir werden schon erfahren, was für Kreaturen das sind«, war Sandrilas überzeugt. »Jetzt folgt mir! Wir müssen den
König finden…«
Die Gruppe setzte ihren Weg fort, doch die Orientierung wurde selbst für die Elben sehr schwierig, denn es wurde immer dunkler. Prinz Sandrilas und seine Männer kamen nur langsam voran. Sie stiegen rutschige Hänge empor und vergewisserten sich an höher gelegenen Stellen, dass sie immer noch auf dem richtigen Weg waren.
Ab und zu waren auch wieder die charakteristischen Laute der Affenartigen zu hören, allerdings nur noch gedämpft.
»Sie scheinen zu ahnen, dass unser Gehör sehr viel feiner ist als das ihrer normalen Jagdbeute«, meinte Merandil leise.
Thamandor verzog das Gesicht. »Wer sagt Euch, dass die
Ohren dieser Bestien nicht ebenso fein sind wie unsere?«
Diese Möglichkeit zog auch Prinz Sandrilas in Betracht. Und ein Trupp von fünfzig Elben konnte sich nicht derart lautlos bewegen, dass die Feinde sie nicht bemerkten. Daher machte er einen Vorschlag: »Ich werde mich mit ein paar Kundschaftern dem Feuer möglichst unbemerkt nähern. Die anderen halten sich an einer geschützten Stelle verborgen und greifen erst ein, wenn sie das Horn Merandils hören!«
»Aber weshalb dieses Risiko eingehen?«, fragte Ygolas der Bogenschütze. »Wir könnten sie mit großer Übermacht schlagen! Ihren Schreien nach zu urteilen, sind es nicht sehr viele.«
»Es geht mir nicht darum, sie niederzumetzeln, sondern herauszufinden, was mit unserem König und seinen Begleitern ist«, erklärte Prinz Sandrilas.
»Das werden Euch diese primitiven Kreaturen mit Sicherheit gern verraten«, sagte Siranodir mit den zwei Schwertern spöttisch. »Sie sind kaum einer Sprache fähig – wenn dieses Gekreische überhaupt eine Sprache ist!«
»Vom König und seinen Begleitern haben wir bisher nichts gehört«, mischte sich Thamandor der Waffenmeister ein. Seine Hände ruhten auf den Griffen seiner Einhandarmbrüste, die er am Gürtel trug. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie sich als Gefangene in jenem Lager befinden.«
»Nein, aber die Geflügelten dort gehören mit großer Wahrscheinlichkeit zu der Gruppe, die den König überfiel«, entgegnete der Prinz. »Und wenn nicht, so wissen sie vermutlich dennoch, wo wir ihn und sein Gefolge finden
können. Darum will ich sie auch nicht niedermachen. Zunächst nicht! Vielleicht finden wir etwas heraus, indem wir sie beobachten. Falls uns das nicht weiterbringt, wird Merandil das Horn blasen, und wir alle werden angreifen und möglichst viele von ihnen gefangen nehmen. Vielleicht gewinnen wir dadurch neue Erkenntnisse.«
»Ihr setzt voraus, dass sie vernunftbegabt sind und tatsächlich eine Sprache haben«, erkannte
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