Das Reich der Elben 01
gewesen sein!«, entfuhr es nun selbst dem Skeptiker Ygolas, der sich seinen Bogen über den Rücken hängte. »Es waren keinerlei Bruchspuren und Kanten im Gestein zu sehen. Der Eingang wäre auch aus direkter Nähe und bei Licht nicht zu erkennen gewesen.«
»Magie wirkt an diesem Ort«, war Lirandil überzeugt. »Und zwar eine Art von Magie, die sich offenbar vollkommen von der unseren unterscheidet.«
»Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein?«, fragte Thamandor der Waffenmeister. »Natürlich ist Magie ein sehr effektives Instrument, aber meiner Erfahrung nach gibt es viele Dinge, die sich viel einleuchtender durch die Kräfte der Natur erklären lassen.«
Lirandil sah den Waffenmeister einen Augenblick lang an und lächelte dabei nachsichtig. »Wahrscheinlich liegt es daran, dass Ihr Euch so ausgiebig mit Maschinen und Mechanismen aller Art beschäftigt, dass Ihr so denkt, Thamandor. Dadurch ist Euch vielleicht der Sinn für die Magie abhanden gekommen. Oder habt Ihr eine andere Erklärung als Hexerei dafür, dass wir dies hier bislang übersehen konnten?« Mit diesen Worten deutete er auf einen Fleck am Boden.
Thamandor runzelte die Stirn, wo die für ihn charakteristische Falte entstand. »Frisches Blut!«, entfuhr es ihm.
»Elbenblut!«, präzisierte Lirandil. »Der Geruch ist eindeutig. Wahrscheinlich stammt es von dem armen Hyrandil.«
»Dann sollten wir sehen, dass wir Bolandors Sohn aus den Klauen der Äfflinge befreien!«, sagte Siranodir mit den zwei Schwertern fordernd und setzte als Erster den Fuß in den Stollengang.
Die anderen folgten ihm.
Lirandil ging als Letzter. Ein verborgener Mechanismus sorgte dafür, dass sich die Steintür hinter ihm schloss.
»Keine Sorge«, sagte er zu den anderen. »Die Affenartigen können diese Tür offenbar öffnen und schließen. Also sind wir dazu auch in der Lage, denn wir sind ihnen an Intelligenz weit überlegen.« Er berührte eine Stelle an der Wand, fuhr dann mit der Hand weiter empor – und siehe da, die Tür öffnete sich wieder!
»Wenigstens wissen wir jetzt, dass uns ein Rückweg bleibt«, lautete Sandrilas’ Kommentar.
9
DER FEUERBRINGER
»Verratet mir wenigstens, wohin Ihr uns bringt!«, verlangte
König Keandir.
Der Augenlose führte Keandir und Branagorn durch einen Stollen, der sich auf magische Weise immer wieder von Neuem öffnete, sobald der Seher dessen Ende erreicht zu haben schien. Er schritt einfach auf die vor ihm liegende Felswand zu, als ob sie gar nicht existieren würde. Wie von Geisterhand löste sich das Gestein dann jedes Mal in pure Dunkelheit auf, die ein paar Augenblicke später von einem Dutzend Fackeln erhellt wurde. Fackeln, von deren Flammen keinerlei Hitze ausging und deren grellweißes Licht den beiden Elben in den Augen schmerzte, wenn sie direkt hineinschauten.
»Wir sind leider gezwungen, diese unterirdischen Wege zu nehmen, was mich ziemlich viel Kraft kostet und außerdem noch ziemlich langsam geht.« Der Augenlose kicherte wieder vor sich hin, bevor er erneut durch eine massive Felswand schritt, als ob dort nichts gewesen wäre.
Im nächsten Moment war er verschwunden.
Branagorn prallte mit dem Kopf gegen das Gestein und fluchte.
»Dieser Trollteufel!«, entfuhr es ihm. »Ich habe Euch davor gewarnt, diesem einäugigen Scharlatan zu folgen!«
»Da wir im Moment schlechterdings ohne Alternative sind, macht es wenig Sinn, darüber zu streiten«, entgegnete König Keandir. Er wirkte dabei sehr viel gelassener, als es Branagorns Meinung nach angemessen gewesen wäre.
Die beiden Elben befanden sich in einem engen Raum, der an ein Verlies gemahnte. Eine durch die Magie des Augenlosen geschaffene Höhle, ohne irgendeine Verbindung nach außen.
Lebendig begraben!, dachte Branagorn. Genau das sind wir jetzt!
Er berührte das Gestein. Feucht und kalt fühlte es sich an.
»Es überrascht mich, wie ruhig Ihr das alles hinnehmt, mein
König«, gestand er.
»Ich bin überzeugt davon, dass wir nicht lange in diesem
Gefängnis bleiben werden, Branagorn.«
»Und wie kommt Ihr zu dieser doch recht optimistischen
Einschätzung?«, fragte der junge Elbenkrieger.
Ein flüchtiges Lächeln spielte um Keandirs Mundwinkel.
»Der Seher scheint mir tatsächlich aus irgendeinem Grund auf mich angewiesen zu sein, um sich aus seiner Gefangenschaft zu befreien.«
»Und daher Eure Zuversicht?«
Ehe Keandir antworten konnte, wurde plötzlich die Felswand vor ihm transparent und verwandelte sich in einen von Fackeln erhellten Stollen. Der Augenlose
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