Das Reich der Katzen (German Edition)
rüde und kam wieder ein Stück auf Ben zu. Doch der Kater wich keinen
Millimeter zurück.
Spannung lag in der Luft.
Es ist deutlich zu spüren, dachte Onisha, wir haben das
Totenreich bereits betreten. Haben die unsichtbare Grenze zwischen den Lebenden
und den Toten überschritten. Deshalb sahen die Bäume so abgestorben aus und
deshalb hatte die Sonne keine Wärme mehr.
Ihr schwindelte.
Uschebtis öffnete sein Maul eine Spur weiter. Sein Atem drang zu
Onisha und den anderen Katzen herüber. »Puh«, flüsterte Onisha. »Da wird einem
ja speiübel!« Wohl lauter als beabsichtigt. Der Kopf des Dobermanns ruckte
herum. Seine gespenstisch gelben Augen richteten sich auf Onisha und bannten
ihren Blick. Sie spürte das verräterische Zittern in ihren Beinen und dachte:
Du bist auch nicht viel besser als Rocky, hielt aber tapfer dem Blick stand.
Der Hund knurrte einmal kurz und warnend, was wohl einer Mahnung,
den Mund zu halten, gleichkam und wandte sich dann wieder Ben zu. »Ich kann
euch nicht passieren lassen«, sagte er bestimmend. »Kehrt um.« Damit war für
ihn die Angelegenheit erledigt. Er drehte sich herum, im Begriff ihnen den
Rücken zuzukehren, als Bens Stimme ihn zurückhielt.
»Hey, was soll das? Wir sind noch nicht fertig.«
»Ich schon«, knurrte der Dobermann ohne sich umzudrehen.
Ben gab ein wütendes Fauchen von sich, das in ein schrilles
Kreischen überging. Und seine Wut ging auf die anderen über. Corey, Rouven und
selbst Rocky, der sich wieder aufgerappelt hatte, stimmten mit ein.
Der Dobermann wirbelte herum. »Ihr wagt es?«, schrie er erzürnt
und fletschte die Zähne. »Niemand legt sich mit Uschebtis an.« Er schnappte
nach Corey. Der alte Siamkater hätte sicherlich nicht mehr die Wendigkeit
besessen, dem Angriff auszuweichen, wäre Ben nicht gewesen. Mit einem
gewaltigen Satz preschte er nach vorne und hieb dem Dobermann die ausgefahrenen
Krallen seiner rechten Pfote quer über das Gesicht und verschonte dabei auch
die unheimlichen Augen seines Gegners nicht. Uschebtis hatte eindeutig nicht
mit dem Angriff gerechnet und heulte vor Schmerz auf.
Der Moment der Überraschung war auf ihrer Seite.
»Jetzt, Jungs«, feuerte Ben seine Freunde an. Corey, Rouven und
Rocky sprangen beinahe gleichzeitig den Dobermann an, während Ben erneut
versuchte Uschebtis Gesicht zu erreichen. Doch der Dobermann schnappte nach ihm
und bekam Bens Flanke zu fassen, als dieser ihm ausweichen wollte. Ben
kreischte und versuchte sich verzweifelt aus Uschebtis Fängen zu befreien.
Corey, Rouven und Rocky hatten sich mittlerweile in dem muskulösen Rücken des Dobermanns
verbissen. Doch der schien sie nicht einmal zu spüren. Versuchte sie mit
kräftigen Schüttelbewegungen abzustreifen.
»Los, wir müssen ihnen helfen!«, schrie Fleur und sah Onisha und
Twinky an. Die zierliche Schildpattkatze reagierte blitzschnell und sprang an
den schlanken Hals des Hundes. Dort biss sie sich wie ein Blutegel fest und
schlug ihre Krallen in Uschebtis glattes, kurzes Fell.
»Worauf wartest du noch, beweg dich endlich!«, schrie Fleur
Onisha zu und sprang ebenfalls. Sie landete haargenau auf der anderen Seite des
Hundehalses. Onisha merkte erst, dass auch sie gesprungen war, als sie sich in
der harten Haut des Hundes verbiss. Sie schmeckte Blut, das durch ihre Zähne
lief und das Fell des Hundes tränkte. Und dieser Geschmack ließ den letzten
Rest ihres brachliegenden Instinkts ausbrechen. Etwas lange Dagewesenes, unter
Bequemlichkeit Vergrabenes, erwachte zu neuem Leben. Gab ihr Kraft und Mut. Und
die alte Onisha war endgültig ausgelöscht.
Sie krallte sich in dem Hals des Hundes fest, als wäre es das
Letzte auf der Welt, was zu tun sie in der Lage war. Uschebtis heulte vor Wut
auf und versuchte sie abzuschütteln. Als ihm das nicht gelang, warf er sich auf
den Boden, wälzte sich auf die Seite und versuchte sich so seiner Angreifer zu
entledigen.
Onisha hörte Fleur und Rouven aufschreien, als der Körper des
Hundes sie unter sich begrub. Sie wusste, dass der Dobermann die beiden Katzen
zerquetschen würde, und handelte instinktiv. Uschebtis versuchte sich auf den
Rücken zu drehen um Corey und Rocky abzuschütteln. Dabei lag sein ungeschützter
Bauch frei. »Ben!«, kreischte Onisha und sprang. Biss tief in das Fleisch des
Hundes. Neben ihr tauchte ein mächtiger roter Kopf auf.
Ein furchtbarer Schrei zerriss die Nacht.
Uschebtis sprang auf und versuchte verzweifelt die Katzen
abzuschütteln. Doch die bissen
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