Das Reich der Katzen (German Edition)
immer und immer wieder zu. Gerieten in
blutrünstige Raserei. Mit jedem Blutstropfen, der aus den unzähligen Wunden
sickerte, wurde Uschebtis schwächer, das Funkeln seiner schlammgelben Augen
wurde matter. Das war der Moment, auf den Ben gewartet hatte. Er ließ sich zu
Boden fallen und baute sich in voller Größe vor Uschebtis auf. »Lässt du uns jetzt
passieren, Wächter?«, fragte er drohend. »Oder soll hier auch noch dein letzter
Blutstropfen zur Erde fallen?«
Uschebtis ließ einen gurgelnden Laut hören. Um Bens Worten mehr
Gewicht zu verleihen, verbissen sich die Katzen wieder fester in den Dobermann.
Uschebtis schrie auf. »Ich gebe mich geschlagen. Ich gewähre euch Einlass in
das Totenreich.«
Ben gab den Katzen ein Zeichen und sie ließen augenblicklich von
Uschebtis ab. Onisha sah Fleur zu Boden sinken und bemerkte zu ihrem Entsetzen,
dass die Freundin regungslos liegen blieb. Rouven hinkte auf drei Beinen aus
der Gefahrenzone. Sein linker Hinterlauf schien gebrochen zu sein. Er stand in
einem seltsamen Winkel ab.
Onisha registrierte nicht mehr, wie Uschebtis geschlagen
davonschlich, hörte nicht Bens triumphierenden Schrei. Sie hatte nur noch Augen
für Fleur, die sich immer noch nicht rührte. Die wie tot dalag. Aber das konnte
nicht sein. Das durfte einfach nicht sein. Sie lief auf den regungslosen Körper
zu und stupste ihn mit der Nase an. »Fleur!«, flüsterte sie entsetzt. »Sag doch
etwas! Fleur, hörst du mich? So sag doch endlich etwas!«
Schmerzvolles Stöhnen erklang. »Der verfluchte Kerl hat mir alle
Knochen im Leib gebrochen. Wenn er mir das nächste Mal begegnet, werde ich ihm
gehörig den Marsch blasen. Na, der kann was erleben.«
Onisha hätte am liebsten vor Freude laut gejubelt. »Fleur«, rief
sie. »Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht.«
»Haben Eure Durchlaucht gedacht, ich hätte den Löffel abgegeben?«
Fleur rappelte sich vorsichtig auf. »Zu früh gefreut!«
Onisha kicherte glücklich. »Du redest wie immer dummes Zeug. Aber
ich bin froh, dass es dir gut geht.«
»Tja, da hättest du Knall auf Fall deine erste und einzige
Freundin verloren.« Fleur grinste. »Das wäre ein echter Verlust gewesen.«
»Du hast Recht, Fleur«, sagte Onisha leise. »Denn ohne Freunde
ist alles im Leben nur halb so viel wert.«
Sie hatten sich die Wunden geleckt und Rouvens Bein so gut es
ging versorgt. Bens Wunde an der Flanke hatte gottlob schlimmer ausgesehen, als
sie war. Ein glatter Durchschuss, hätte es in einem billigen Western geheißen.
Wenngleich es sich hier um einen glatten Durchbiss handelte. Aber Ben verfügte
über eine erstaunliche Kondition. Er steckte den Schmerz wie nichts weg. Er war
es sogar, der sie zum sofortigen Aufbruch drängte. In diesem Augenblick stieg
er noch mehr in Onishas Gunst.
Sie gingen wieder los. Onisha hatte sich nach
einigen inneren Anläufen auf Twinkys Seite geschlagen. Es lag ihr etwas auf der
Seele, was unbedingt herausmusste. »Es war wirklich mutig von dir, Uschebtis an
die Gurgel zu springen«, sagte sie anerkennend.
Twinky verzog ihr Näschen und presste hervor: »Dein Einsatz war
aber auch nicht zu verachten. Ebenso Fleurs.«
Onisha grinste. »Der Angriff war in der Tat nicht ohne. Und
unsere Zusammenarbeit war auch nicht schlecht.« Twinky würde zwar nie ihre
Freundin werden, aber sie war Onisha nicht mehr so unsympathisch wie zu Anfang
ihrer Begegnung.
»Ich bin gespannt, was uns hier noch so alles erwartet«, sprach
Rocky mit furchtsamem Unterton in der Stimme in Onishas Gedanken hinein.
»Uschebtis hat mir persönlich schon gereicht. Aber ich befürchte,
er war erst der Anfang«, prophezeite Fleur düster.
Damit sollte sie leider Recht behalten. Die Luft des Totenreichs
wurde von Minute zu Minute dünner und sauerstoffärmer. Das Atmen fiel immer
schwerer und machte jeden Schritt zur Qual. Überall um sie herum nahm das
Sterben zu. Selbst der Boden unter ihren Pfoten fühlte sich faulig an. Als
vermodere er bereits. Aus ihm würde nie gehaltvoller Humus entstehen. Er
verwandelte sich in eine stinkende Masse, die den Katzen an den Pfoten klebte
und das Gehen zusätzlich erschwerte.
Onisha musste wieder an Bastets Traumgestalt denken. Davon war
sie momentan Meilen entfernt. Das Fell klebte ihr in schwarz verdreckten Fäden
am Leib. Nichts war übrig geblieben von dem einst so prachtvollen Pelz, den sie
ihr Eigen genannt hatte und auf den sie immer so stolz gewesen war. Onisha
hatte das Gefühl, dass auch ihr
Weitere Kostenlose Bücher