Das Reich der Katzen (German Edition)
künftig darauf konzentrieren? Ich wäre dir sehr dankbar!« Twinky
war viel zu baff um zu protestieren und Fleur hatte sich bereits dem Pergament
zugewandt. »Wir wissen jetzt, dass Bastet tatsächlich eine ...«, sie zögerte,
»... oder zwei Nachfolgerinnen bestimmt hat. Wir wissen, dass die Reinkarnation
im Reich der Katzen und dort im Tempel der Katzengöttin erfolgen soll, und wir
wissen, dass Valentin uns helfen kann, dorthin zu kommen. Wo ist der Kerl denn
überhaupt?« Sie blickte sich suchend um.
Der Kater saß nicht weit von ihnen entfernt. Still beobachtete er
die aufgeregte Katzenschar, die sich um das aufgerollte Pergament versammelt
hatte. Unbemerkt hatte er sich wieder in die Kirche geschlichen und betrachtete
seine neuen Freunde wohlwollend.
Fleur winkte ihn zu sich.
Dabei wandte sie Onisha ihr klassisches Profil zu. Sie muss die
Nachfolgerin sein, durchfuhr es Onisha und spürte beinahe so etwas wie Neid in
sich. Liebend gern hätte sie zusammen mit Fleur das Empfinden und die Möglichkeiten,
die sich durch Bastets Nachfolge boten, erlebt. Gelebt.
Valentin erhob sich, streckte sich im Zeitlupentempo und ging
gemächlich auf Onisha und Fleur zu.
»Warum hast du uns nicht gleich gesagt, dass du seherische
Fähigkeiten hast?«, fragte Fleur vorwurfsvoll.
Valentin blickte sie ernst an. »Du kannst dir nicht vorstellen,
wie viele Katzen in unser Kloster gekommen sind, weil sie Bastets Nachfolge
antreten wollten. Machtbesessene Katzen, die die Möglichkeiten, die das Erbe
der Bastet bietet, missbraucht hätten. Ich musste erst sehen, ob ihr würdig
seid, mein Wissen zu teilen, ob ihr die Grabkammer der Bastet findet ...«
»Die Grabkammer?«, fuhr Onisha dazwischen. »Die ist doch in einem
fernen Land.«
Valentin lächelte wissend, enthielt sich aber jeglichen
Kommentars. Aber er hätte auch keine Gelegenheit zu einer Antwort gehabt.
Fleur schaltete sich wieder ein. »Wenn du seherische Fähigkeiten
hast, warum konntest du Rouven nicht retten?«, wollte sie anklagend wissen.
Ein Schatten huschte über Valentins Gesicht. »Ich wollte ihn
warnen, aber Lavina war schneller. Sie ist sehr gefährlich!«
»Da erzählst du uns nichts Neues. Das haben wir mittlerweile auch
mitbekommen«, brummte Ben. Er hatte sich mit Rouvens Tod noch nicht abgefunden.
Die Wunde in Bens Seele war noch zu frisch. »Wo treibt diese Hexe ihr Unwesen?
Ich brenne darauf, ihr das Lebenslicht auszupusten!«
»Hass ist keine Antwort, Ben!«, hielt Valentin ihm sanft
entgegen. »Der verblendet nur. Und dann hat Lavina schon halb gesiegt. Wenn
dich der Hass bestimmt, bist du nicht aufmerksam und machst Fehler. Das
verschafft Lavina einen gehörigen Vorteil und nicht uns.«
Ben wollte Valentin eine heftige Antwort geben, aber Corey kam
ihm rasch zuvor. »Valentin hat Recht. Wir müssen einen kühlen und klaren Kopf
bewahren, wenn wir gegen Lavina in den Kampf ziehen und auch nur einen Hauch
von einer Chance haben wollen.«
Sie berieten sich noch eine Weile und kamen schließlich überein,
dass sie erst einmal Rouven zu Grabe tragen wollten. Sie mühten sich, den
geschundenen Körper des Katers vom Pfahl zu holen. Ohne Blackbird und seine Freunde
hätten sie es allerdings nicht geschafft. Dann hüllten sie Rouven in einen
dunklen Umhang, den Valentin aus einer der Zellen gezogen hatte, und trugen ihn
mit vereinten Kräften zum Friedhof. Onisha drehte sich noch einmal zu dem
verwaisten Innenhof um. Sah den Pfahl, an dem der Freund gehangen hatte, und
hätte beinahe aufgeschrien, als das Holzmonument plötzlich von einem hellen,
warmen Licht eingehüllt wurde. Es hätte nur gefehlt, dass es verschwunden wäre,
aber so war es nicht. Aus dem Pfahl formierte sich ein Kreuz mit einer
Schlaufe. Bevor Onisha auch nur Gelegenheit zu einem Schrei fand, war das Licht
auch schon wieder verschwunden. Ebenso die Erscheinung. Onisha fragte sich, ob
es überhaupt real gewesen war. Ob es nicht Einbildung gewesen war. Sie schüttelte
benommen den Kopf und drehte sich herum. Ja, dachte sie, so muss es sein. Ich
habe mir alles nur eingebildet. Meine überreizten Nerven haben mir einen
Streich gespielt. Was ja nicht verwunderlich war nach allem, was sie erlebt
hatten. Was sie allerdings wieder nachdenklich stimmte, war die Tatsache, dass
das Licht etwas Beruhigendes gehabt hatte. Etwas Tröstliches.
»Wo bleibst du denn so lange?«, murrte Fleur unwillig. »Brauchst
du wieder eine Extraeinladung?«
Onisha beeilte sich, den Freunden zu folgen.
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