Das Reich der Katzen (German Edition)
hellblauen Augen der Skulptur lösen.
War erst dann in der Lage, auch das Umfeld wahrzunehmen. Den farbigen
Reliefschmuck und die fremdländischen Inschriften an den Wänden. »Seht nur«,
sagte sie und deutete mit dem Kopf in die Richtung der Wandzeichnungen. Dort
waren Szenen aus dem täglichen Leben der Mönche abgebildet, aber auch das
Schlachten der Opfertiere für ihre Rituale. Eine Zeichnung stach Onisha
besonders ins Auge. Sie zeigte eine schwarze Katze mit langem Fell und grünen
Augen. Sie sah ihr verteufelt ähnlich. In den folgenden Szenen veränderte sich
diese Katze immer mehr, bis sie am Ende die Gestalt einer Frau mit einem
Löwenkopf angenommen hatte. Was Onisha am meisten beeindruckte, war die Tatsache,
dass diese Katze einen funkelnden Stein um den Hals trug. Neugierig ging sie an
die Wand mir den Zeichnungen heran. War sie bisher nervös und alarmiert
gewesen, befiel sie jetzt eine ungeheure Ruhe. Der Stein der Weisen war als
perfektes Relief abgebildet. Rund und herausfordernd ragte er aus der Wand
heraus. Ohne recht zu wissen, warum, eigentlich nur um überhaupt etwas zu tun,
tippte Onisha mit der Pfote dagegen. Es gab ein mahlendes Geräusch und eine
Klappe ging auf. Onisha zuckte erschrocken zurück.
»Du dickes Ei«, entfuhr es Ben. »Ein Geheimfach!« Und schon war
seine Pfote darin verschwunden und kam ebenso schnell wieder heraus.
Onisha und Fleur kreischten gleichzeitig auf. Etwas Längliches
segelte durch die Luft und rollte vor ihre Pfoten.
Es war das Pergament der BASTET, DAS BUCH DER TORE.
LAVINA
Das Pergament DAS BUCH DER TORE bot einen Blick in die geheime
Welt der Magie und Alchemie. Der Welt der Götter um BASTET. Sie war voller
Abenteuer und Gefahren. Fleur und Onisha lasen mit wahrem Feuereifer. Nahmen jedes
Wort begierig in sich auf. Sie fanden Geschichten um Osiris, Horus und Seth.
Osiris, der in einem Delta residierte, das häufig von Stürmen und
Überschwemmungen heimgesucht wurde. Dadurch wurde es ein feuchtes, dunkles
Land, in dem Schattenwesen eine neue Heimat fanden.
»Ob es das Delta ist, in dem jetzt die Rattenarmee ihr Unwesen
treibt?«, flüsterte Onisha hektisch.
»Das habe ich mich auch gerade gefragt.« Fleurs Stimme zitterte
vor Aufregung.
Sie lasen weiter. Der Sage nach war Osiris ein gerechter König
gewesen. Doch Seth tötete ihn und riss die Herrschaft an sich. Horus, den
Osiris mit Isis zeugte, rächte seinen Vater und nahm Seth in einem erbitterten
Kampf das Leben.
»Das muss ja ein toller Typ gewesen sein. Sieh nur, was da steht.
Horus soll ein falkenköpfiger Himmelsgott gewesen sein. Sonne und Mond galten
als seine Augen. Das hört sich richtig romantisch an.« Onishas Stimme erhielt
einen verträumten Klang. Blitzschnell bildete sich der gut gewachsene Körper
eines jungen Mannes in schmaler weißer Robe vor ihren Augen.
»Horus hat also den Mörder seines Vaters getötet. Geschieht ihm
ganz recht«, sagte Fleur.
Onisha zuckte zusammen. Sie hatte noch nie so viel Härte in
Fleurs Stimme gehört. Doch sie pflichtete ihr insgeheim bei. »Komisch«, begann
sie zögernd. »Ich dachte immer, Götter wären unsterblich.«
»Ich auch«, gestand Fleur.
Bens rote Pfote deutete auf eine bestimmte Stelle des vergilbten
Pergaments. »Hier steht des Rätsels Lösung. Isis, Osiris Schwester und Frau,
hat ihn wiederbelebt. Hat ihn aus dem Totenreich zurückgeholt. Somit war Osiris
der Gott der Toten geworden. Ein Gott, der die Mönche des Schwarzen Klosters
unter seine Fittiche genommen hatte. Der ihnen ein eingeschränktes Weiterleben
nach dem Tod sicherte. Das Weiterleben als Katzen.«
»Das ist ja ein Hammer«, meinte Fleur respektlos. Dann blickte
sie Onisha verschmitzt an. »Ob in uns auch die Seelen verstorbener Menschen
weiterleben?«
Was als Scherz gedacht war, verfehlte sein Ziel. Onisha fand das
alles andere als komisch. Immerhin flüsterte in ihr immer wieder diese Stimme
... diese Stimme, die so oft den Namen Sachmet aussprach. »Lass deine blöden
Scherze«, fauchte sie Fleur an. Die riss erstaunt die Augen auf, verkniff sich
aber eine Antwort. Onisha schenkte ihr keine Beachtung mehr. Sie las weiter.
Von Seelenwanderung, der Wiederverkörperung, bei den Menschen auch Reinkarnation
genannt, und dass der Tod nur Übergang sei. Dass der physische Körper nichts
anderes sei als verdichtete Energie, die auch dann erhalten blieb, wenn sich
der Körper auflöste. Dass Mensch und Tier multidimensionale Wesen seien. »Ihre
physischen Körper
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