Das Reich der Katzen (German Edition)
die
Freunde, nicht aufzugeben.
»Wenn wir jetzt aufgeben, war alles, was wir bisher erduldet
haben, umsonst. Denkt doch an Corey und Rouven. Sollen sie umsonst gestorben
sein?«
Als er die beiden ermordeten Freunde erwähnte, kam wieder Leben
in die Katzenschar.
»Bei drei ziehen wir«, rief Ben kämpferisch. »Es wäre doch
gelacht, wenn wir das blöde Ding nicht herauskriegen.« Er holte tief Luft und
begann zu zählen: »Eins, zwei und drrreiiii ...«
Bens lang gezogenes iiii uferte aus, als er ins Bodenlose fiel.
Der Schacht war genau genommen eine steinerne Rutsche. Was bei Licht betrachtet
sicherlich megalustig gewesen wäre. So dachte zumindest Onisha, als sie nicht
mit wehenden Fahnen, sondern wehenden Ohren hinter Ben herrutschte. Dicht
gefolgt von Lucky, dem die Rutscherei sichtlich Spaß machte. Er brachte sogar
ein verhaltenes »Yippieh!« zustande. Was für ihn schon der Heldenmut
schlechthin bedeutete.
Ben prallte mit ungebremster Kraft auf den Boden und stieß einen
Schmerzensschrei aus. Onisha fiel halb auf ihn, hatte nicht die Zeit, sich
aufzurappeln, als auch schon Lucky in ihr Kreuz donnerte. Die anderen folgten
wie reife Kirschen, die von einem Baum fielen. Es ging plopp, plopp, plopp und
sie landeten mehr oder weniger unsanft aufeinander und blieben einige Sekunden
wie ein Knäuel durcheinander gewirbelter Leiber liegen. Schließlich wühlte sich
Ben unter seinen Freunden hervor und nieste zweimal. Seine Nase war voller
Goldstaub. Was ein urkomisches Bild abgab.
»Schau dir den Glückspilz an.« Valentin lachte. »Wenn der Kerl
fällt, dann bestimmt in einen Goldhaufen.«
Ben antwortete nicht, sondern blickte sich neugierig um. In der
Hoffnung, dass sich die Mühe auch gelohnt hatte. Und das hatte sie, in der Tat.
»Ich glaub, mich zwickt ne Maus«, entfuhr es dem roten Kater.
Der Raum war vollgestopft mit goldenen Krügen und Schalen und mit
Truhen, voll mit Geschmeide und Goldmünzen. Wo das Auge hinblickte, glänzte und
funkelte es. Twinky schrie vor Überraschung auf. »Seht nur ... du meine Güte
... seht nur diese Ketten ... und dann dort ...« Sie lief auf eine Truhe mit
Ketten und Armreifen zu und wühlte ekstatisch mit der Nase darin herum. Selbst
Rocky und Lucky liefen aufgeregt schnatternd durch den Raum.
»Schau dir diese Irre an«, lachte Ben und Valentin fiel in das
Lachen ein.
Doch Twinkys Reaktion war nichts gegen die von Blackbird. Die
Krähe lief aufgeregt auf dem Rand einer Truhe voller Goldmünzen hin und her.
Stürzte sich dann hinein und nahm ein Bad in den Geldstücken. Er warf mit dem
Schnabel einige Münzen in die Luft und lachte schallend.
»Den hat der Geist verlassen«, stellte Ben fest. »Dem sind die
Sicherungen völlig durchgebrannt.« Er sah Fleur verschwörerisch an und rief
dann der Krähe zu: »Blackbird, mein Freund, komm zu dir.«
Die Krähe reagierte nicht. Warf immer noch Münzen in die Luft und
versuchte sie spielerisch mit dem Schnabel zu fangen.
»Der ist auf einem anderen Planeten.« Twinky hatte sich von der
Schmucktruhe gelöst und saß mit seligem Blick daneben. »Der ist völlig
weggetreten.«
»Das musst gerade du sagen. Du hast es nötig. Als du den Schmuck
gesehen hast, hast du auch alles um dich herum vergessen.«
Twinky schien das peinlich. »So schlimm war es nun auch wieder
nicht.«
»Nein«, meinte Ben ironisch. »Es war schlimmer.«
Onisha war die ganze Zeit ruhig geblieben. Sie lief auch nicht
herum wie die Freunde. Sie hatte sich still in eine Ecke gesetzt und
betrachtete die Wände, die kunstvoll und farbenprächtig bemalt waren. Das war
für sie der wahre Schatz dieses Raumes. Was ihr an den Wandfresken auffiel, war
die ständige Wiederkehr gezeichneter Flammen. Sie sprach Valentin darauf an.
»Was hat das zu bedeuten, Valentin?«
»Flammen bedeuten Zauber.«
»Verstehe ich nicht.«
»Die Zauber erleuchten und alle Zauberworte sind Flammen.«
Onishas Gesichtsausdruck machte deutlich, dass sie kein einziges
Wort verstand.
Valentin lächelte gutmütig. »Feuer-Hieroglyphen machen die Zaubermacht
der Götter deutlich.«
»Ist das alles?«, fragte Onisha enttäuscht.
Valentins Lächeln wurde noch eine Spur wärmer. »Ja, das ist alles
und noch viel mehr.«
Onisha erstaunte der merkwürdige Satz längst nicht mehr. Valentin
neigte häufig dazu, sich verschlüsselt auszudrücken, und Onisha war es
allmählich leid, alles zu hinterfragen.
Ihr Blick suchte Fleur, die ihrerseits Onisha ansah. Sie wussten
beide, dass
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