Das Reich der Katzen (German Edition)
hier stehen und Wurzeln schlagen, werden
wir sie auch nie finden.«
In diesem Punkt hatte Twinky sogar Recht. Das sah selbst Ben ein,
der die zierliche Katze nach diesem Ausruf mal nicht mit einem strafenden Blick
bedachte, sondern nach einem kurzen Blickwechsel mit Valentin zum Weitergehen
mahnte. Onisha tappte hinter Ben her. Blickte nicht
nach links oder rechts und schaute erst um sich, als einige Ahs und Ohs ertönten.
Dann sah auch sie die Skulptur, vor der Ben stehen geblieben war. Ein Sockel,
auf dem ein überdimensionaler Käfer stand. Aus Malachit.
Grünstein, durchzuckte es Onisha und sie dachte daran, was die
Stimme in ihr so oft geflüstert hatte. Der Käfer aus Grünstein bringe sie des
Rätsels Lösung um Bastets Erbe einen gewaltigen Schritt weiter. Der Käfer hatte
gespenstisch echt wirkende Augen, die Onisha unverwandt ansahen. Er saß auf
einem Sockel aus rotem Granit. Onisha war es, als ob die Flügel des Tieres leicht
zitterten. Aber das war unmöglich.
»Der Skarabäus steht für die Erde. Er ist das stärkste Symbol«,
flüsterte Valentin andächtig. Er umrundete den Sockel und versuchte die
Inschriften zu entschlüsseln. »Wenn ich das halbwegs richtig entziffere, steht hier
irgendetwas von einem Opfertischsaal, den wir suchen sollen.«
»Hast du eine Ahnung, was das sein soll?«, wollte Ben wissen.
»Oder wo dieser Saal ist?«
Valentin lächelte nachsichtig. »Ich bin leider nicht allwissend«,
erwiderte er.
Twinky öffnete schon den Mund, um etwas zu antworten, aber Bens
scharfer Blick ließ sie verstummen. »Dann lasst uns erst einmal diese Kammer
erkunden«, forderte er die Freunde auf.
»Blendende Idee«, krächzte Blackbird aus luftiger Höhe. Er hatte
auf dem Rücken des Skarabäus Platz genommen und von dort aus die Kammer beäugt.
Aufgeregt wies er mit dem Flügel in die Richtung, in der das Licht heller
wurde. Deutete auf ein türähnliches Loch in der Wand.
Ben musste sie nicht mehr auffordern. Sie hetzten alle zu der
Öffnung und versuchten sich gleichzeitig hindurchzuquetschen. Es entstand eine
wilde Rangelei, aus der Ben und Fleur als Sieger hervorgingen. Stumm betraten
sie die Kammer. Die anderen folgten. Wieder in manierlichen Zweierreihen.
Schon beim ersten Blick wussten sie: Sie standen in der Kammer
einer Königin. Der Raum bestand vollständig aus Granitwänden und in der Mitte
stand ein schmuckloser rechteckiger Sarkophag. Daneben knieten zwei hohe,
steinerne Figuren mit groben Gesichtszügen und derben Gliedmaßen. Bekleidet mit
einem Lendenschurz und einem Königstuch auf dem Kopf, wirkten sie wie die
Menschengestalten, die Onisha in ihren Träumen erschienen waren. Neugierig betrachtete
sie die Skulpturen. Beide trugen Gefäße, von denen ein süßlicher Geruch
ausging. Von der früher darin enthaltenen Flüssigkeit war nur ein klebriger
Rest übrig geblieben, der die Zeit überdauert hatte und wie ein schmutziger
Film auf dem Boden der Schalen verblieben war.
Ben schnupperte daran und verzog angewidert die Nase. »Das Zeug
riecht ja ekelhaft.«
Valentin grinste. »Kein Wunder. Das Zeug, wie du es so nett
ausdrückst, ist ja auch schon uralt. Ich bin erstaunt, dass überhaupt noch
etwas davon übrig geblieben ist.« Fleur drängte sich an Ben vorbei und
schnupperte ebenfalls. »Das ist Wein«, sagte sie und ihre Stimme klang schaurig
verzerrt.
Die Freunde starrten sie erstaunt an. Woher wusste sie das?
Onisha war noch nie in ihrem Leben mit Wein in Berührung
gekommen. Aber selbst wenn, wäre es mehr als fraglich gewesen, ob sie den
getrockneten Rest an dem süßlich verfälschten Geruch erkannt hätte.
Twinky hielt ebenfalls ihr kleines Näschen in eine der Opferschalen.
Schnüffelte darin herum und meinte schließlich: »So grässlich riecht das doch
gar nicht.«
Bens Grinsen vertiefte sich. »Wohl in deinem ersten Leben
Schluckspecht gewesen?«
Twinky verzog das Gesicht zu einer abfälligen Grimasse. »Das
musst du gerade sagen.«
»Kinder, zankt euch nicht.« Blackbird plusterte sich auf und
putzte sich das glänzende Gefieder.
Onisha wunderte sich immer wieder, woher der Vogel die Ruhe und
Würde nahm. Irgendwann kommen wir auch hinter dein Geheimnis, dachte sie.
Doch jetzt war der Sarkophag viel interessanter. Sosehr sich
Valentin auch bemühte, die Hieroglyphen darauf zu entziffern, er konnte keinen
Hinweis darauf finden, wessen Mumie in diesem Grab lag. »Verschwenden wir hier
keine Zeit«, trieb Ben sie wieder an. »Suchen wir lieber den
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