Das Reich der Katzen (German Edition)
trotz des Reichtums, der in diesem Raum verborgen lag, kein Hinweis
zu finden war, wie sie in das Reich der Katzen gelangen konnten.
Sie hatten sich endlich beruhigt und nach einer eingehenden
Untersuchung des Raumes den Rückweg angetreten. Valentin führte sie zielsicher
aus der Pyramide hinaus ans Tageslicht. Onisha fragte sich, wie er sich den Weg
in der Dunkelheit hatte merken können. Zumal sie ihn nur einmal gegangen waren
und einige Schächte nur durch Zufall gefunden hatten.
Sie blinzelten in die Sonne und waren froh, der oftmals
beklemmenden Dunkelheit entkommen zu sein. So mystisch und abenteuerreich die
Welt der Pyramiden auch war, so Furcht einflößend zeigte sie sich auch. Onisha
war unendlich müde. Es kam ihr vor, als ob sie schon ein halbes Leben unterwegs
wären. Den Freunden ging es nicht anders. Besonders Rocky machte einen
erschöpften Eindruck.
Blackbird deutete auf den gigantischen Schatten, den die Pyramide
warf. »Ich schlage vor, wir hauen uns hier aufs Ohr und pennen ein wenig.
Immerhin haben wir noch einige Strapazen vor uns.«
»Hervorragende Idee«, rief Lucky und warf sich der Länge nach in
den Sand, schloss die Augen und war in Sekundenschnelle eingeschlafen.
Neith erschien ihnen in dieser Nacht. Sie hatte wieder die
reservierte Haltung, die sie auch schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen an
den Tag gelegt hatte.
»Neith, die allmächtige Göttin des Universums«, krächzte
Blackbird leise. »Mir ist jedes Mal nicht wohl in meinem Gefieder, wenn ich ihr
begegne.«
Jedes Mal, dachte Onisha und sah die Krähe schräg von der Seite
an. Wie oft hast du sie denn schon gesehen, geheimnisvoller Freund?, fragte sie
sich insgeheim.
Neith baute sich vor ihnen auf. »Ich habe euch geholfen«, sagte
sie mit strenger Stimme. »Und nun dringt ihr zum Dank in meine letzte
Ruhestätte ein. Wenn ihr das Tal der Königinnen nicht augenblicklich verlasst,
werde ich den Himmel auf die Erde stürzen lassen.«
Es gab einen Knall wie in einem David-Copperfield-Zaubertrick und
dann war Neith verschwunden.
»Eines muss man ihr lassen«, stellte Twinky fest. »Die Dame liebt
dramatische Auftritte.« Ihr herzförmiges Gesichtchen leuchtete in dem Rauch,
den Neith hinterlassen hatte und der in lang gezogenen Schwaden zum Himmel zog.
Rocky duckte sich. »Und sie bedient sich wirksamer Tricks.
Gespenstisch.« Keiner lästerte über ihn, den ewigen Angsthasen. Fleur und
Onisha gaben ihm innerlich sogar Recht.
»Sie ist uns durchaus wohlgesonnen«, sagte Valentin.
»Das hat sie bisher aber erfolgreich verborgen«, zischte Twinky.
»Aber sie ist auf unserer Seite«, beharrte Valentin.
»Woher willst du das wissen? Triffst du dich jeden Tag mit ihr
zum Fünfuhrtee?«
Valentin musterte Twinky strafend und kam Ben zuvor, der schon
den Mund geöffnet hatte, um Twinky zur Ordnung zu rufen. »Neith verfolgt das
Unrecht. Also ist sie automatisch auf unserer Seite, weil auch sie Lavina in
ihre Schranken verweisen will.«
»Ist Lavina eigentlich auch eine der göttlichen Königinnen dieses
Tals?«, wollte Lucky wissen.
Onisha blickte ihn erstaunt an. Die Frage ist gar nicht so dumm,
dachte sie und wunderte sich, warum sie nicht schon längst selbst darauf
gekommen war.
Valentin schüttelte den Kopf. »Nein, Lavina brachte, lange bevor
die Königinnen lebten, das Böse auf diese Welt.« Er seufzte. »Und sie wird auch
noch lange nach ihnen ihr Unwesen treiben.«
»Tja, in jedem guten Märchen gibt es auch eine böse Hexe. So ist
das nun mal«, meinte Lucky naseweis.
»Was du nicht sagst«, zog Ben ihn auf. »Und in jedem guten
Märchen gibt es auch einen Helden, der die böse Hexe besiegt.« Er warf Rocky
einen amüsierten Blick zu. »Dabei kann es sich unmöglich um dich handeln, mein
Freund.«
Rocky schluckte. Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt,
ständig Zielscheibe des Spotts zu sein. Obgleich seine Ohnmachtsanfälle ja
geradezu danach schrien, kommentiert zu werden. »Jedenfalls hat Neith uns
deutlich aufgefordert, das Tal der Königinnen zu verlassen«, sagte er.
»Das bringt die Frage auf, warum?«, warf Blackbird ein. »Warum
hat sie es so eilig, uns loszuwerden?«
»Du hast Recht«, pflichtete Ben ihm bei. »Was hat sie zu
verbergen? Hast du eine Ahnung, Valentin?«
Der Havanna-Kater schwieg. Blickte nur Onisha und Fleur an, als
läge in ihnen die Antwort auf alle Fragen. Doch Onisha hörte dem Gespräch nur
mit halbem Ohr zu. Ihre Gedanken schweiften immer wieder
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