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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Ebenaci.«
    Bewundernd strich sie über das glatte Holz. »Der sieht toll aus. Denkst du, er könnte auch etwas für mich sein?«
    Aber Etron schüttelte den Kopf, und so wanderten sie weiter.
    Etron drängte sie nicht und schien auch nicht beleidigt zu sein, als sie stehen blieb. »Ich glaube, heute habe ich keine Nerven für so etwas. Können wir zurückgehen?«
    »In Ordnung.« Der Krieger lächelte ihr zu, und sie gingen den Berg hinab, doch nach wenigen Schritten deutete er nach links. »Dort liegt eine uns heilige Quelle. Ich möchte für Gheros Wasser mitnehmen.«
    »Gut.« Lena folgte ihm, und eine böse kleine Stimme in ihrem Inneren sagte: Wer weiß, ob Ragnar das nicht auch nötig hat.
    Dann verdrängte sie all ihre Ängste und blieb staunend stehen, als sie einen Ort sah, den man wieder einmal nur als märchenhaft bezeichnen konnte. Aus einem von Farnen bewachsenen Hügel plätscherte eine kleine Quelle mit glasklarem Wasser. Dieses ergoss sich in ein Becken, in dem winzige Blumen auf dem Wasser trieben. Die hintere Hälfte wurde von hohen Büschen gesäumt. Weiße Blüten bedeckten den gesamten Busch, und Lena blinzelte, denn irgendetwas Buntes bewegte sich dazwischen, doch es konnten keine Blüten sein, denn es ging kein Wind. Verzaubert näherte sie sich ihm über glatte Steine hinweg, und da stoben plötzlich Hunderte kleine Wesen aus dem Busch.
    »Sind das Schmetterlinge?«, staunte sie.
    »Dir erscheinen sie als Schmetterlinge, aber das sind Schlehengeister.«
    »Schlehengeister«, wiederholte Lena und streckte ihre Hand nach dem Busch aus. »Meine Oma hat mich immer zum Schlehensammeln mitgenommen, als ich ein kleines Kind war. Sie hat Saft aus den Früchten gemacht.«
    »Dann begleitet dich dieser Baum schon seit deiner Kindheit.«
    Lena nickte, und nun kam einer dieser vermeintlichen Schmetterlinge näher. Mit raschen Schlägen trugen die filigranen rötlichen Flügel einen schlanken Körper, kaum mehr als fingerdick, durch die Luft. Ein kleiner Kopf, der von riesengroßen dunklen Augen beherrscht wurde, wandte sich ihr zu. Der Schlehengeist ließ sich auf ihrer Schulter nieder, sodass Lena Etron Hilfe suchend ansah.
    »Er möchte dir sagen, dass du gefunden hast, wonach du suchst.«
    »Denkst du wirklich?« Behutsam drehte Lena den Kopf nach links, sah in diese dunklen Augen, die ihr so fremd und doch so ausdrucksstark erschienen. Weise, von einer ihr unbekannten Macht erfüllt.
    »Du könntest ihn fragen, ob dir die Schlehengeister die Ehre erweisen, deine erste Waffe aus ihrem Holz herstellen zu dürfen.«
    Ihr Blick wanderte zu dem Busch, so perfekt und anmutig wuchs er neben der Quelle in die Höhe.
    »Ich möchte nichts von ihm abschneiden, das … das wäre irgendwie nicht richtig«, sagte sie spontan.
    Etrons große Hand legte sich auf ihre freie Schulter. »Das ist der richtige Weg. Frag die Geister.«
    »Ja, aber wie denn?«
    »Du denkst zu viel nach, Lena, hör auf dein Herz, deine innere Stimme.«
    Beim besten Willen wusste sie nicht, was er meinte, aber schließlich wandte sie sich erneut dem Schlehengeist zu, dessen dunkle Augen sie an nachtschwarze Bergseen erinnerten.
    »Also, Schlehengeist, ich … hätte gerne einen Bogen. Aber ich möchte euren Strauch nicht kaputt machen.« Unsicher drehte sie sich zu Etron um, der ihr aufmunternd zunickte. »Kannst du mir irgendwie helfen?« Erneut betrachtete sie den Schlehengeist, und unvermittelt hatte sie das Gefühl, von seinen Augen regelrecht aufgesogen zu werden. Zunächst wehrte sie sich dagegen, aber der Sog zog sie immer weiter.
    Lena sah sich selbst, wie sie am Rande dieses kleinen Wasserbeckens stand. Sie trug ein fließendes Gewand und keine Schuhe. In der Hand hielt sie einen tönernen Krug. Gemessenen Schrittes umrundete sie dreimal den Teich, dann stellte sie den Krug unter den Busch, fuhr mit den Händen sanft über die Blätter, und die weißen Blüten wirbelten um sie herum, schlossen sie ein. Der dickste Ast des Schlehenbusches bog sich in ihre Richtung, es krachte leise, und …
    Jäh wurde Lena aus dieser eigentümlichen Vision gerissen, torkelte zurück und fühlte sich von starken Armen aufgefangen. Sie erblickte Etrons bärtiges Gesicht, blinzelte verwirrt und stand dann endlich wieder auf ihren eigenen Füßen. Doch mit diesem Traum oder dieser Vision war der Wunder nicht genug. Aus dem Schlehenbusch erhoben sich plötzlich Hunderte der kleinen Schlehengeister, wie in Lenas Vision wirbelten Blätter und Blüten,

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