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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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zumindest fließt ihr Blut in deinen Adern.«
    »Es mag sein, dass die Begegnung mit den Rodhakan einen hohen Tribut fordert«, gab er zögernd zu. »Aber wie du siehst, bin ich ihnen nicht zum Opfer gefallen. Ich bin zu einem von ihnen geworden, und ich sage dir, nicht alle Rodhakan sind gleich. Diejenigen, die ich traf, nahmen mich mit sich, lehrten mich ihre Art zu leben … Und«, er hob einen Finger, und sein Gesicht zeigte im ersten Licht des anbrechenden Tages ein Lächeln, »sie gaben mir etwas sehr viel Wertvolleres, als mit einem Seelenfreund verbunden zu sein – den Bund der Schatten.«
    Misstrauisch betrachtete Ragnar den Mann vor sich. Er sah sehr viel materieller aus als viele der Rodhakan, die er getroffen hatte. »Was für ein Bund ist das?«
    »Die Rodhakan vereinen viele Seelen miteinander, Ragnar, wir können miteinander verschmelzen, die Gefühle und Erinnerungen eines jeden spüren. Wenn wir uns freiwillig vereinen, ist es so viel befriedigender, als nur mit einem einzigen Seelenfreund verbunden zu sein«, erklärte Lucas voller Leidenschaft. »Ich ließ mich auf diesen Bund ein und habe ihn bis heute nicht bereut. Verlierst du deinen Seelenfreund, so ist dies ein tiefer Schmerz, ein endgültiger Verlust. Als Rodhakan spürst du diesen Schmerz nicht, denn der andere bleibt ein Teil von dir.«
    »Dann bestehst du aus – mehreren Seelen?«, hakte Ragnar nach. »Wie soll ich denn wissen, ob ich gerade mit meinem Vater spreche und nicht mit irgendeiner anderen Kreatur?«
    »Habe ich dir das nicht bewiesen? Ich bin Lucas, ich bin der, den du gekannt hast. Ich bin lediglich mit vielen verbunden. Seelen, die eine Einheit bilden.«
    Das alles brachte Ragnar zum Grübeln. Er wusste sehr wohl, dass er möglicherweise einem Rodhakan gegenüberstand, der nur versuchte, ihn einzulullen. Dennoch hatte das Gesagte auch etwas Verlockendes. Diejenigen nie wirklich loslassen zu müssen, die man liebte, auch wenn sie starben, war das nicht etwas, wonach sich jeder sehnte? Dennoch konnte er das Verhalten der Rodhakan nicht gutheißen. »Weshalb tötet ihr? Ihr nehmt Leben, ganz gleich ob es Menschen, Tuavinn oder Wildtiere sind.«
    »Ist es nicht so, dass wir das Gleiche tun wie die Menschen, wenn sie beispielsweise Tiere jagen? Wir benötigen Kraft, und die ziehen wir aus anderen Lebewesen, nur verspeisen wir sie nicht, sondern nehmen uns lediglich ihre geistige und ihre Leben spendende Essenz.«
    Ragnar schnaubte. »Die Tuavinn nehmen nur Fleisch von Tieren, die bereit sind, in die Ewigkeit zu gehen.«
    »Von schwachen, alten Tieren.« Lucas legte den Kopf schief. »Und das ist es, was die Rodhakan tun – zumindest jene, die verantwortungsbewusst mit ihrem Dasein umgehen. Es gibt auch andere, das muss ich einräumen. Doch findet man die nicht in jedem Volk?«
    Diese Begegnung mit seinem Vater verwirrte Ragnar ungemein. Seine Gestalt, seine Stimme, die Gesten – es war, als betrachtete er sich selbst. »Und du glaubst, das genügt, um das Verhalten der Rodhakan zu billigen?«
    »Vielleicht kann man ihr Verhalten nicht immer tolerieren, aber man sollte ihnen ihre Existenz sehr wohl zugestehen!«
    Lucas beobachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen.
    »Ragnar, glaubst du, alle Tuavinn sind rein und unschuldig?«
    »Nein, nicht wirklich.«
    »Aber dennoch würdest du ihnen ihr Recht zu leben nicht absprechen, oder etwa doch?«
    »Natürlich nicht. Aber ihre Art, mit anderen Lebewesen umzugehen, behagt mir deutlich mehr.«
    Lucas trat einen Schritt vor. »Auch ich musste erst lernen, damit klarzukommen. Es dauerte, bis ich dieses Volk verstand. Aber so wie einige von uns wähle ich mit Bedacht, welches Leben ich beende. Wir töten, um nach und nach feste Gestalt anzunehmen.«
    »Und du wolltest … Lucas bleiben?«, fragte Ragnar nach.
    Ein Lächeln erschien auf Lucas’ Gesicht, so vertraut und doch zugleich fremd für Ragnar. »Nach der ersten Umarmung durch die Rodhakan war ich ein Schatten, so wie viele von uns. Aber mit der Zeit nahm ich wieder jene Gestalt an, die mir vertraut war. Die meisten Rodhakan wählen recht willkürlich ihre Erscheinungsform. Ob nun die eines Tieres, eines Menschen oder Tuavinn.«
    »Woher kommen die Rodhakan?«, wollte Ragnar wissen.
    »Die ersten entstanden einfach – sie sind eine Schöpfung Elvancors«, behauptete Lucas. »Andere, wenige, so wie ich, wurden freiwillig zu Schatten, denn wir sind die Zukunft dieses Landes.«
    So wie Lucas nun sprach, so bestimmt und auch kalt, war

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