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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Nadelgehölze, und auf der Ebene waren zahlreiche Haine zu sehen.
    »Dieses Tal ist perfekt geschützt«, staunte Ureat. Sein Blick wanderte über den gesamten Kessel. »Ein großartiger Rückzugsort!«
    Eine Bewegung zu ihrer Rechten erregte ihre Aufmerksamkeit. Ein Reh stand am Berghang, den Kopf aufmerksam zu ihnen gerichtet, aber Lena glaubte noch etwas anderes wahrgenommen zu haben. Hatte sie sich geirrt? Nein, ein Tier kam den Berghang herabgestürmt, im Schnee kaum zu erkennen. Lediglich die schwarzen Punkte an Pfoten und Schwanz verrieten dem aufmerksamen Beobachter, was da vor sich ging. Das Reh wandte den Kopf, setzte zur Flucht an, aber es war zu spät. Eines jener seltsamen Tiere, die Ragnar als Kurdul bezeichnet hatte und nun im Schnee fast nicht auszumachen war, stürzte sich auf sein Opfer. Wendig schlug es Zähne und Krallen in das unglückliche Reh. Es war das erste Mal, dass Lena eine dieser Kreaturen wiedersah. In das Reh verbissen kugelte das Raubtier den Hang hinab, beinahe vor die Füße der Reiter. Der Kurdul, so klein er auch war, stellte sich mit aufgerichtetem Schwanz und gefletschten Zähnen vor seine Beute. Als niedlich hätte sie dieses Tier nun nicht mehr bezeichnet, und auch Ureat trieb sein Pferd rasch weiter.
    »Mit einem Kurdul ist nicht zu spaßen.«
    »Klein, wehrhaft und mutig«, erklang eine weibliche Stimme. Lena wunderte sich, denn sie hatte gedacht, es handle sich ausschließlich um Bergmänner, doch unter der dicken Fellkapuze kam nun der Kopf einer Frau mit dunkelblondem Haar und einem freundlichen Gesicht zum Vorschein. »Der Kurdul ist ein Wahrzeichen unseres Clans. Wir verehren ihn, da er unser Tal beschützt, wie wir glauben.«
    »Das … ist schön«, entgegnete Lena vorsichtig.
    »Ich bin Romba, Neas’ Frau.«
    »Ich heiße Lena.«
    »Sei willkommen in unserem Dorf. Ein warmes Lager wird dir gewiss sein.«
    »Das wäre toll«, seufzte Lena.
    Romba lächelte ihr zu, hieb dem Pferd wenig elegant die Hacken in die Flanken und tauchte in den nächsten Hain ein. Gewaltige Laubbäume mit Blättern, die ein kleines Haus hätten verdecken können, wuchsen hier. Auch wenn sie sich unter der Last des Schnees bogen, bildeten sie dennoch ein dichtes Dach, und zwischen den mächtigen Stämmen war überall Gras und Erde zu sehen. Ein ausgetretener Pfad führte sie zu einer Art Dorfplatz, wo in einem steinernen Ring ein Feuer prasselte. Erst auf den zweiten Blick erkannte Lena überhaupt Behausungen. Einige waren direkt in die Astgabeln gebaut, Strickleitern hingen bis zum Boden, andere an Felsen oder Stämme geschmiegt und mit Efeu und anderen Pflanzenranken bewachsen. Aus einem dieser kuppelförmigen Gebäude kamen nun Kinder und starrten sie neugierig an.
    »Bringt den jungen Mann in unser Haus«, befahl Neas. »Ich werde einen der besten Heilkundigen zu ihm schicken.«
    Kian wurde in eines der Efeuhäuser geschafft, und Ureat beeilte sich, aus dem Sattel zu steigen. Ein kleines Mädchen mit rötlichem Haar kam nach ein paar schüchternen Blicken herbeigelaufen. »Darf ich mich um eure Pferde kümmern?«, fragte sie aufgeregt.
    Ureat brummte seine Zustimmung, dann folgte er den Trägern. Auch Lena stieg ab, übergab der Kleinen die Zügel und stand etwas unschlüssig da.
    »Sicher möchtest du ein heißes Bad nehmen«, mutmaßte Romba.
    »Das wäre wunderbar, aber Kian …« Lena sah in die Richtung des Hauses, in das man Kian soeben gebracht hatte.
    »Man kümmert sich um ihn.« Die Bergfrau fasste Lena am Arm und ging mit ihr auf einen Felsspalt zu, hinter dem sich eine kleine Höhle auftat. Im Inneren glommen Kristalle, Feuchtigkeit hing in der Luft, und bald erreichten sie ein natürliches Wasserbecken.
    »Ist das eine heiße Quelle?«, staunte Lena.
    »Richtig.« Romba verneigte sich. »Der Berg ehrt uns damit, diese Quelle benutzen zu dürfen. Du kannst dich ausziehen, ich lasse dir Tücher und wärmere Kleidung bringen. Komm später zu dem Haus, in das man deinen Freund gebracht hat.«
    »Danke«, rief Lena Romba hinterher. Dann entledigte sie sich mühsam ihrer Kleider. Hände und Füße waren blau vor Kälte, und sie war froh, keine Erfrierungen davongetragen zu haben. Vorsichtig steckte sie eine Zehe in das Wasser und zog den Fuß gleich wieder zurück. Das warme Wasser war äußerst schmerzhaft an ihren eiskalten Gliedern. Eine Weile kauerte sie am Beckenrand, ließ die Dämpfe um ihren Körper spielen, ehe sie sich langsam in die heiße Quelle sinken ließ. Es war

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